Design
Design

Ein Supersportwagen, der nicht Geschwindigkeit, sondern Form zelebriert

Nur 33 Exemplare werden vom Alfa Romeo 33 stradale gebaut. Alejandro Mesonero-Romans, der Designchef des Unternehmens, führte AW Architektur und Wohnen und dem Mailänder Architekten und Designer Piero Lissoni sein Meisterstück exklusiv vor.
Text Peter Würth
Datum23.06.2025

So ein Auto hat die Welt lange nicht gesehen. 620 PS, 333 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit und nur 3 Sekunden von Null auf 100 sind das Eine. Aber pure Power können (wenige) andere auch. Das formvollendetes Design allerdings ist eine absolute Ausnahme. Da stimmt jedes Detail, ist jede Linie eine Offenbarung, jeder Schwung ein Gedicht. Der Alfa Romeo 33 stradale ist wie das Menü eines Drei-Sterne-Kochs an einem besonders guten Tag. Die Ingredienzien – ein 3-Liter-Twinturbo-Sechszylinder der ursprünglich von Ferrari stammt, ein Kohlefaser-Chassis von Maserati – stehen ähnlich auch anderen Köchen, sprich Designern zur Verfügung. Aber solch ein Traumauto zu schaffen, das ist eine hohe Kunst, die im 21. Jahrhundert nur ganz, ganz wenige beherrschen ­– und überhaupt die Chance dazu bekommen.

Das Design des neuen Alfa Romeo verweigert jede Übertreibung und bleibt dennoch radikal.

Der Künstler, der hinter dem Supercar aus Turin steckt, heißt Alejandro Mesonero-Romanos. Er ist seit vier Jahren Chefdesigner von Alfa Romeo, war zuvor unter anderem – eher unglamourös – bei Seat und bei Volkswagen. Nach Madrid, wo er geboren wurde, nach Barcelona, Seoul oder Wolfsburg, wohnt er jetzt in den Hügeln vor Turin. Im Centro Stile, dem Designzentrum vor den Toren der Autometropole Turin, stellt er sein Meisterwerk, dem Mailänder Designer und Architekten Piero Lissoni vor.
Alejandro Mesonero-Romanos empfängt Piero Lissoni vor den Toren der Stadt im Centro Stile, dem Designzentrum des Stellantis-Konzerns. Hinter dessen Wänden entstehen die Automobil­träume des 21. Jahrhunderts, spektakuläre neue Modelle von Alfa Romeo, Ferrari oder Maserati.

Designer Piero Lissoni und Alejandro Mesonero-Romanos über die Schnittstellen von Architektur und Automobil.

Vom Skizzenblock weg verkauft

„Jeder kennt den Alfa Romeo 8C und den 4C, aber vorher gab es seit 1967 keinen Alfa, der die Leute wirklich zum Strahlen gebracht hätte“, sagt Mesonero-Romanos. „Wir wollten der Marke Alfa Romeo mit einem ganz besonderen Fahrzeug neuen Glanz verleihen. Wir haben ein paar Skizzen gemacht und sind im September 2022 zum Formel1-Rennen nach Monza gefahren. Dort haben wir die Skizzen ein paar Leuten gezeigt und gefragt, ob so ein Auto sie interessieren würde.“ Die Idee kam so gut an, dass das Team beschloss, den Alfa Romeo stradale fuoriserie tatsächlich zu bauen – und ihn auf nur 33 Exemplare weltweit zu limitieren. „Alle 33 Fahrzeuge waren verkauft, bevor wir mit der eigentlichen Arbeit anfingen“, so der stolze Designer.

Im Centro Stile von Alfa Romeo entstand ein Fahrzeug, das Gestaltung zur Haltung macht.

Hinter den diskreten Wänden des Centro Stile entstehen die Automobilträume des 21. Jahrhunderts, neue Modelle von Ferrari oder Maserati – und eben der Alfa Romeo 33 stradale. Ein eher unscheinbarer Besprechungsraum ist nur ganz wenigen Besuchern vorbehalten: „Hier haben wir mit 33 exklusiven Kunden ihren ganz speziellen Alfa Romeo 33 stradale konfiguriert“, erklärt Alejandro Mesonero-Romanos, der sich mit dem mindestens 1,5 Millionen Euro teuren Fahrzeug seinen Designertraum verwirklichen durfte.

Im Innenhof des Designzentrums zeigt sich der Alfa erstmals im natürlichen Licht.

Elegant, sportlich, provozierend

 Piero Lissoni gesteht nach wenigen Kennenlern-Sätzen seine Faszination für Alfa Romeo: „Alfa, das ist Eleganz, aber auch Sportlichkeit – mit ein bisschen Provokation.“ Geradezu andächtig streicht er über die ausliegenden Farb- und Materialproben. 
Wenig später zieht Alejandro Mesonero-Romanos in einer großen Halle die Alfa-rote Plane von dem einzigen Vorführmodell des Alfa 33 stradale mit seinen nach oben öffnenden Flügeltüren, das bis dato nur ein paar ausgewählte Menschen außer­halb des Unternehmens live gesehen haben.

Alejandro Mesonero-Romanos mit dem einzigen Vorserienmodell des Alfa Romeo 33 stradale.

Ein Auto, das die Menschen lächeln lässt

„Dieses Auto hat etwas Zeitgenössisches, es ist nicht futuristisch“, erklärt Alejandro Mesonero-Romanos mit einer charmanten Portion Understatement. „Es war nicht unsere Idee, ein besonders leistungsorientiertes Auto zu bauen. Es sollte nicht zu auffällig, nicht zu protzig sein. Das ist es, was mir daran gefällt: Dass es am Ende ein relativ normales Auto ist. Ein Auto, auf das die Leute mit einem Lächeln reagieren.“

Die Flügeltüren unterstreichen den skulpturalen Charakter des Designs. 

Piero Lissoni ist völlig fasziniert von der atemraubenden Schönheit das Alfas, umrundet ihn mehrfach, betrachtet jedes Detail, die eleganten Kurven, den Lichteinfall, den technisch-luxuriösen Innenraum des Vorserienfahrzeugs, der Alejandro Mesonero-Romanos aber noch nicht perfekt genug ist: „Bei den realen Fahrzeugen, die wir alle in Handarbeit herstellen, wird das noch einmal sehr viel besser.“

Piero Lissoni erlebt das Designobjekt aus nächster Nähe – und zeigt sich beeindruckt.

Aufs Heck kommt es an

Besonders angetan hat Lissoni das Heck des Alfa Romeo 33 stradale: „Ich bin fasziniert von der B-Seite. Denn die muss bei so einem Fahrzeug mehr als schön gestaltet sein. Das sind doch Autos, bei denen man die Front nur für einen kurzen Moment im Rückspiegel sieht. Das Heck – technischer, funktioneller – aber das ist der Eindruck, den das Auto am Ende hinterlässt. Der bleibt einem im Gedächtnis, weil man das Auto eben die meiste Zeit von hinten sieht.“ Piero Lissoni darf sogar in dem Vorserienfahrzeug Platz nehmen. Ein absoluter Vertrauensbeweis.

Das Design des 33 stradale zitiert Klassiker, ohne je rückwärtsgewandt zu wirken.

Dann gleitet der noch elektrisch angetriebene Prototyp in den Innenhof des Designcenters. „Bei natürlichem Licht wirkt das Fahrzeug ganz anders“, betont der Designchef von Alfa. „Es ist eine andere Sache, wenn es sich bewegt. Je nach Licht verändert sich das Design. Wenn Licht auf die Seite fällt, sieht man, dass es keine strenge, gerade Linie gibt.“

Zwei Designer, zwei Perspektiven – im Zentrum steht die Idee vom Auto als gestaltetes Objekt.

Besuch im Allerheiligsten

Dann darf Lissoni auch noch ins Allerheiligste: die Werkstatt, in der er ein 1:1-Tonmodell eines offiziell noch namenlosen Boliden steht, das derzeit im Windkanal getestet und verfeinert wird. Mit großen Augen bestaunt er das Modell, das so geheim ist, dass wir es nur aus einem ganz bestimmten Winkel von hinten fotografieren dürfen.

Ein Blick in das streng abgeschirmte Atelier, in dem Zukunftsmodelle entstehen.

Ein Platz im Museum für den Alfa Romeo 33 stradale?

Turin hat seine Bedeutung im 20. Jahrhundert dem Automobilbau zu verdanken. Das Lingotto, das frühere Fiat-Werk mit der legendären Teststrecke auf dem Dach, steht bis heute für das industrielle Turin. Und dass Turin im letzten Jahrhundert zu DER Autostadt Italiens wurde, ist nicht zuletzt im „Museo Nazionale dell‘Automobile“ zu sehen, das 1960 für die Internationale Arbeitsausstellung Expo 61 am Ufer des Po gebaut wurde und dass die beiden Designer zusammen aufsuchen. Ein elegant-geschwungener Bau mit gewaltiger Eingangshalle voller Preziosen der Automobilgeschichte, in dem der Alfa Romeo 33 stradale dereinst sicher einen Ehrenplatz bekommen wird.
Der Spaziergang der beiden Designer durch Turin mit deren Geheimtipps finden sie in unserer nächsten Ausgabe, die am 4. Juli erscheint.

Die Geheimtipps der beiden Designer und ihre persönlichen Entdeckungen bei ihrem Spaziergang durch Turin verraten wir Ihnen in unserer nächsten Ausgabe am 4. Juli – lassen Sie sich diese exklusiven Insidertipps nicht entgehen!

Design