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Bretz – Design Sofas Made in Germany

Das Familienunternehmen Bretz aus Rheinhessen baut Wohnlandschaften zum Träumen – und liefert die Träume gleich dazu.
Text Jan van Rossem
Datum13.02.2020
©Robertino Nikolic

Von Ruhezonen, Reinwühlfellen und einem Alligator 

Jeder Mensch hat seinen Traum. Oder Albtraum, bitte sehr, aber das ist immer eine Frage des Standpunkts. Norbert Bretz liegt auf einem ausladenden Sofa und schwärmt von dem Alligator, der ihm mal begegnet ist. Irgendwo in einem tropischen Gewässer, er selbst war tiefer hinabgetaucht, der Gigant paddelte ungerührt über ihn hinweg. Aber dieses machtvolle, muskulöse Grün unter dem Licht des Nachmittags, die Palmen am Ufer gebrochen durch das Wasser und seine schimmernde Oberfläche: Das habe ihn nicht mehr losgelassen.

Das Sofa ist grün. Und wenn Bretz den weichen Velours zwischen seine Finger nimmt und ihn zu einer sanften Welle rollt, dann sind alle Farben wieder da: Türkis und Gelb, das Braungrün des schwimmenden Reptils, das warme Leuchten der Sonne, der weiche Glanz des Wassers. Velours ist ein Zauberstoff. Wie ein optisches Gedächtnis zum Drüberstreichen. Auch das Gefühl schwerelosen Gleitens wird wieder wach – aber das ist weniger eine Wirkung des Stoffs. Das liegt an der Polsterung.

Norbert Bretz stellt Sofas her, und wer sehr genau weiß, wie so ein mittel- ständischer Möbelbauer auszusehen und aufzutreten hat, der könnte sich jetzt ein- bis zweimal wundern: Jeans, lange Haare, Mittelscheitel. Schwarze Schühchen, wie Alpinisten sie zum Freiklettern an senkrechten Wänden anziehen, und eine Brille, die deutlich zu erkennen gibt, dass ihre Vorgängerinnen – seit John Lennon und Grateful Dead – wohl kreisrund und aus Nickel gewesen sein müssen. 

Dieses Modell hier leuchtet in schrillem Orange, genau wie der Kapuzenpulli, genau wie die Balken unter dem Dach von Büro und Werkstatt im rheinhessischen Gensingen zwischen Bingen und Bad Kreuznach. Und wer sich fragt, was denn nun zuerst in der Signalfarbe der Pop-Art strahlte, Brille, Balken oder Hoodie, der hat schon die richtige Richtung eingeschlagen: Dieser Mann wirft sich kopfüber in ein Meer aus Farben und kollektiven Erinnerungen, aus Schwebezuständen, Spinnereien und Geschichten.

„Cloud 7“ heißt das Sofa. Das ist, zugegeben, ein innerer Film, in dem der persönliche Alligator des Herstellers keine so große Rolle spielt. Aber das Gefühl des Dahingleitens auf der üppig weichen, federnden, nach allen Regeln der Zunft kassettierten Sitzfläche ließ einen anderen Namen einfach nicht zu. Eigentlich wollte Bretz sich sogar bis zur Stufe 9 aufschwingen, doch der Name war schon vergeben. Macht nichts, höher hinauf als bis Wolke sieben lässt die Disziplin der deutschen Sprache ohnehin nicht zu. Manchmal muss eben, wer Sofas baut, mit den Füßen auf dem Boden bleiben. Obwohl das bei der tiefen Sitz äche von „Cloud 7“ ganz und gar unmöglich ist.

„Sie wollen doch nicht den ganzen Tag wie in einem Bewerbungsgespräch sitzen“, mahnt Bretz also, fläzt sich in die Polster und lässt die Kletterschuhe über die Kante baumeln. Nein, so ein Sofa sei die Insel in einer imaginären Südsee, von Palmen beschattet und feierabends zu erreichen. Das erzählen ihm seine Kunden, Ärzte, Manager, Fußballpro s oder die Sängerin Anna Netrebko, wenn sie vom Modell „Cocoa Island“ oder dem „Monster“ sprechen und, seltsam eigentlich, immer ein besitzanzeigendes Fürwort davor setzen: mein „Cocoa Island“, mein „Monster“. Und gern fügen sie noch hinzu: Ich will auch mal ganz für mich sein, inoffiziell, für niemanden sonst. Auf Wellen schaukeln, die Musik aus lockeren Zeiten swingt mit, eine Erinnerung an Irland oder Guatemala ...

"Sie wollen doch nicht den ganzen Tag wie in einem Bewerbungsgespräch sitzen."
Norbert Bretz

Da spielt auch eigene Geschichte hinein. Bretz ist Jahrgang 1965; in Irland hat er mal studiert, BWL, nach dem Diplom und vor der Karriere, dann lockte die weite Welt: ein ganzes Jahr Pazifik, Cook Islands, Mittelamerika, Galapagos. Tauchen in türkisklarem Wasser, abhängen, Sonne spüren. Als der Ruf des Vaters sie ereilte, ihn und seinen vier Jahre älteren Bruder Hartmut, waren sie beide längst auf eigenen Lebenswegen unterwegs. Aber das Familienunternehmen, 1895 als Matratzenmanufaktur gegründet, war in Not: Heimische Möbelindustrie, zumal solche auf dem Boden des Handwerks, hatte kaum eine Chance auf einem globalen Markt, wo Trends und Moden sich überschlugen und die Qualität in der Fertigung immer mehr ins Hintertreffen geriet.

Mitte der 80er-Jahre war Schluss. Insolvenz. Der Vater machte, mehr aus Trotz, mit einer Handvoll Mitarbeiter weiter. 1992 übernahmen die Söhne – und ihnen war klar: Wenn das brave Familienunternehmen in tiefster Provinz überleben sollte, müssten sie etwas Besonderes vorweisen. Und wenn schon besonders, dann richtig besonders! Schrill. Farbstark. Sinnlich. Bloß nicht den blassen Regeln des internationalen Designs folgen. Sie hatten doch eine Menge erlebt. Sie konnten erzählen. Und wie man solide Polstermöbel baut – das war dem Unternehmen nun wirklich in die DNA programmiert. Das erste Sofa, Modell „Gaudi“, heute ein Klassiker im Portfolio von Bretz, stellten sie ihrem Publikum mit einem Samtbezug in Zebramuster vor. „Sie glauben nicht, was da los war“, meint Norbert Bretz heute, 26 Jahre später. Und in gut gespielter Unschuld: „Dabei ist Zebra ein so nobles, reines Dessin.“

Es brauchte immer zwei Temperamente, um das alles zusammenzubringen, schwebende Eleganz und die Sinnlichkeit einer Liegewiese, zierliche Metallfüße, funkelnde Applikationen aus Strass und voluptuöse Kassettierungen. Streit gab es, na klar, immer. Aber immer wussten die Brüder auch: Genau in der Spannung lag die Ursache ihres Erfolgs.

Mittlerweile prasselt es Preise und Auszeichnungen. Sechs luxuriös ausgestattete Geschäfte gehören zur Firma, zwölf weitere verkaufen ihre Möbel exklusiv, rund 120 als Partner. Hartmut Bretz zieht sich jetzt langsam aus der Geschäftsführung zurück, seine Stieftochter Carolin Kutzera rückt nach. Sie hat in Mailand und Paris Design studiert und in London gearbeitet, zwei junge Designerinnen ergänzen das Team – ein Generationenwechsel. Neues internationales Publikum. Was bleiben wird, sind das solide Fundament im Hand- werk, das Bekenntnis zu „Made in Germany“ und die Freude am Spiel mit Bildern und Träumen. Mit Stoffen, die verschmitzt an fliegende Teppiche und an Gelsenkirchener Barock erinnern. Von streichelzartem Samt mit Reliefstruktur bis zum Reinwühlfell eines Kinderteddys aus Mohair.

"Der Betrieb bleibt in der Familie. Und es bleibt bei ‚Made in Germany‘"
Carolin Kutzera

„Sollen wir uns mal auf ‚Drop City‘ setzen?“, schlägt Norbert Bretz vor. Moment! „Drop City“? Richtig, der Roman des Amerikaners T. C. Boyle, in dem eine Gruppe von Hippies aus Kalifornien nach Alaska zieht. Was für ein Stoff für ein Sofa! Und gleich ist alles wieder da: die improvisierten Matratzenlager, die zerschlissenen Klamotten, Berge von Kissen ... Dekonstruierte Streifen habe er bei seinem Zulieferer bestellt, sagt der Unternehmer mit der Hippie-Brille. Und zieht ein Foto hervor, auf dem turmhohe Stapel von Stoffmustern zu sehen sind. Was müssen die Leute in der Weberei einen Spaß an dem Auftrag gehabt haben! Fünf oder sechs unterschiedliche Streifenformationen sind denn auch in der Sitzlandschaft vereint, kühn kombiniert und doch delikat aufeinander abgestimmt wie Einstecktuch und Krawatte zum Oberhemd. Und der stabilen Holzkonstruktion unter den extradicken, extraweichen Polstern ist zu verdanken, dass man auch wieder aufstehen kann. Die Zielgruppe hat die 40 erreicht und überschritten. Man wird nicht jünger. Aber der Sound der wilden Jahre – der klingt nach.

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