A&W: Lieber André Heller, Sie sind das also, der hier wohnt. Das Gebäude macht mit Kuppel und Holzbalkendecke einen historischen Eindruck. Ist es alt oder haben Sie es neu bauen lassen?
André Heller: Alles ist neu geplant und alles aus meinen umfangreichen Sammlungen, das mir für diese Unternehmung hohe Qualitäten beifügen konnte, hat dort einen Platz erhalten.
A&W: Es scheint, Sie waren immer auf der ganzen Welt zu Hause. Welche Bedeutung hat Marokko für Sie?
André Heller: Überwiegend bin ich in Marokko zu Hause. Mir hat Europa nie besonders gutgetan. Dort war mir immer zu viel Getue und Gschaftlhuberei, wovon ich tragischerweise gelegentlich auch ein Teil war. In Anima darf ich konzentriert auf Wesentliches inmitten höchster Energien und Schönheit leben. Es gibt dort ein Haus für Gespräche, Häuser zum Schlafen, eins zum Kochen und Speisen, ein Kaffeehaus, einen Hamam, ein großes Arbeitsatelier, ein Refugium für meinen geliebten Sohn mit seiner Familie, eins für die wunderbare Tochter meiner Frau und eines nur für sie selbst. Es ist ein ausredenfreies Glück, dort leben zu dürfen.
A&W: Besucher können Ihren Garten besichtigen und machen regen Gebrauch. Anima ist eine Art Pilgerstätte. Wie viel Privatsphäre bleibt Ihnen da?
André Heller: Anima ist ein acht Hektar großes Selbstporträt von mir, in das alles eingeflossen ist, was ich in 75 Jahren an mir wesentlichem Wissen erworben habe: meine Erfahrungen mit Menschen und Inszenierungen, auch jene mit unterschiedlichen Handwerkstraditionen und Materialien, mit Botanik und Wunderkammern, mit Licht und Schatten, Skulpturen, Düften, Kunstinstallationen, den Geräuschen des Windes und Wassers, über allem der Zauber der prachtvollen afrikanischen Vögel, um nur einiges zu nennen. Wir wollen nicht mehr als 450 Besucher pro Tag, es darf kein touristisches Gedränge geben, sondern es muss ein Ort zum Auszittern und zur Besinnung bleiben. Aber der öffentliche Park ist selbstverständlich wirksam vom privaten Teil getrennt.
A&W: Normalerweise bringen Sie Menschen mit Ihrem Talent und Ihrer Kunst ins Staunen. Was fasziniert Sie an diesem Ort?
André Heller: Meine Liebesgeschichte mit diesem Land hat bereits 1972 begonnen. Damals konnte ich vier Monate lang Marokko vom Mittelmeer bis zur Sahara und vom Riffgebirge bis zur Atlantikküste bereisen. Ich empfand es als einen Rausch an Schönheit und imponierend mannigfaltigen, oft auch verwirrenden Eindrücken. Ab dann kam ich jedes Jahr wieder, um mich mit den hier reichlich vorhandenen Stärkungen aufzuladen und zu inspirieren, bis ich mich sehr spät 2006 endlich hier ansiedelte. In Marrakesch erlebe ich mich als fähiger, beflügelter und so weit als irgendwie möglich geborgener als anderswo.
A&W: Um ins Haus zurückzukehren: Was hat es mit den Werken von Haring und Basquiat auf Leinwand mit Ösen auf sich?
André Heller: Viele Skulpturen und Zeichnungen sind Splitter, die mir von meinen Expeditionen in schöpferische Projekte übrig geblieben sind. Keith Haring, aber auch Basquiat haben bei einigen meiner Shows und anderen Verwirklichungen mitgewirkt. Deren Handschrift finden Sie hier häufig.
A&W: Ein Hingucker ist der rote Josef-Hoffmann-Sessel. Haben Sie hier bewusst österreichische Designgeschichte platziert?
André Heller: Ich bin ein Eklektiker und mische, was auch immer mir imponiert oder mich zu erbauen oder zu trösten vermag. Josef Hoffmann habe ich übrigens als Kind, Anfang der 1950er Jahre, noch persönlich kennengelernt. Er hat mir beigebracht, wie man eine Krawatte bindet.