60 Pfennig für ein Neutra-Haus Ein Haus von Richard Neutra zum Schnäppchen-Preis
Eine Briefmarke kostete es 1960 Christine und Martin Rang, um sich Richard Neutra, den Star des kalifornischen Wüstenstils, für ihr Haus in Königstein zu angeln. Nach seinen naturbezogenen Ideen errichtet, wurde es ein durch und durch praktischer Bau.

Das Familienzimmer mit Blick durch die Wohndiele auf den breiten Kamin. Hinter ihm liegt das Arbeitszimmer mit dem angeschlossenen Schlafzimmer. Oben umlaufend sieht man Fensterbänder, die wie alle Fenster und Türen im Haus von Schattenfugen anstelle von Leisten eingerahmt sind – ein Neutra-typisches Detail.

Die Bauherrin Christine Rang war 35 Jahre alt, als sie 1964 in ihr Haus zog. Eine mutige Tat. Denn: „Wir hatten wenig Geld, vier Jahre lang trug ich dasselbe Kleid, wenn wir unter Leute gingen.“

Die Atmosphäre Deckenhohe Fensterfronten öffnen das Haus, es gibt kaum Grenzen zwischen drinnen und draußen. Trotzdem, so Christine Rang, „ist das Haus nie zu groß um mich herum. Es ist elegant und auf gewisse Weise gemütlich.“

Holzlamellen gehören ebenfalls in Neutras Hausbaukasten. Als transparentes Wandelement verhelfen auch sie zu einem befreiten Wohnen in „Licht, Luft, Bewegung“.

Terrassen verzahnen das Haus mit dem Garten. Auch der Familyroom hat einen solchen Außenraum. Er schließt, zur Abendsonne ausgerichtet, an den Sitzplatz mit Alu-Chairs von Charles Eames im Inneren an.

Die Wohndiele ist der Raum, in den man gelangt, sobald man durch den schmalen Windfang neben dem weißen Mauerscharnier das Haus betreten hat. Er setzt sich, mit einer deckenhohen hölzernen Schiebewand abtrennbar, nach Westen in den Familyroom fort.

Die Sitzmulde mit dem blauen Sofa und Noguchis Coffee-Table ist das vertiefte Zentrum des Livingrooms. Der aus Bruchstein gebaute Kamin fungiert als Raumteiler und trennt das Studio ab.

Das Haus besteht aus collageartig ineinandergreifenden Quadern oder Kästen, die aus Stahlträgern, Holzlamellen, Bruchsteinmauern und Glas gebaut sind. Fliegende Dächer liegen wie Schatullendeckel auf ihnen. Der erste nach vorn liegende Quader enthält die mit einem Oberlicht ausgestattete Küche.

Gläserne Fronten sind eine Ableitung aus der technischen Konstruktion von Wolkenkratzern. Neutra studierte sie in den 20er-Jahren in etlichen amerikanischen Architekturbüros und übertrug sie als einer der Ersten auf private Wohnhäuser.

Spiegelbecken dienen ebenso wie bodentiefe Fensterfronten und Oberlichter der Verschmelzung von drinnen und draußen, denn sie reflektieren das Licht.

Die Küche hat Fenster nach Süden, Norden und Westen. Außerdem ein Oberlicht – und auf Wunsch von Christine Rang einen knochenschonen- den Gymnastikboden über Holzbohlen. Denn sie kocht viel und nach 50 Jahren in ihrer Küche immer noch mit Begeisterung.