Auf Tour im NYC-Kosmos: Jackson Heights und Long Island City
Als die vielstimmige Metropole New York City mit Covid plötzlich wie unter einem Zauberspruch erstarrte, begab sich Kimmelman auf lange Spaziergänge durch das nun auf einmal verstummte und unvertraute Manhattan, vor allem aber reiste er mit der U-Bahn in ihm zuvor sehr ferne Stadtviertel: "Es war, als würde die Stadt nie aufhören", erklärt der 64-Jährige, der in Greenwich Village als Sohn einer Bildhauerin und eines Augenarztes mit sozialistischer Gesinnung aufwuchs. In diesem damals noch eher ärmlichen, aber ungemein kreativen urbanen Dorf mit Großstadtkriminalität verbrachte er eine heute – fast undenkbar – unüberwachte Kindheit, deren Entdeckerfreude er sich bewahrte: "Jede Station offenbarte ein anderes Universum." Auch wenn in Jackson Heights (4) in Queens viele Geschäfte hinter Rollläden verborgen blieben und die zahllosen indischen Restaurants geschlossen waren.
Inzwischen leuchten aus den Schaufenstern wieder Saris in Magenta und Türkis, opulent bestickte Schals und silberbeschlagene Möbel. Die Düfte von Gerichten von lateinamerikanischen oder asiatischen Food Carts und der Rauch von Barbecues mischen sich in die sinnliche Turbulenz. Alle paar Minuten rattert die Subway hier auf einer fast hundert Jahre alten Trasse über die Köpfe der kosmopolitischsten Bevölkerung der Welt hinweg und übertönt die Stimmen aus 167 Sprachen, die hier gesprochen werden. "Das Interessante ist, dass sich die Menschen aus diesen unterschiedlichen, nicht selten verfeindeten Kulturen keineswegs plötzlich in die Arme fallen, aber hier schaffen sie es gezwungenermaßen, miteinander auszukommen", konstatiert Kimmelman mit einiger Bewunderung.
Nur ein paar Stopps mit dem schwankenden ETrain der Skyline weiter liegt Long Island City (5), eine vitale Mischung aus Industriebauten und bescheidenen, über hundert Jahre alten Häusern und nicht zuletzt dem PS1 (6), einem weltweit bekannten Museum für zeitgenössische Kunst, das im ältesten Schulgebäude der Stadt untergebracht ist. Der Weg von dort Richtung East River zum Isamu Noguchi Museum (7) zieht sich hin, doch der Skulpturengarten mit dem blühenden japanischen Trauerkirschbaum ist ein Ruhe verströmender Zen-Raum. Als passionierter Pianist, der Bach Toccaten und Chopin in Konzerten spielt, ist Kimmelman auch einm Connaisseur der Stille.