Architektur
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Peerutin Architects: California Dreamin' in der Bucht von Kapstadt

Spektakuläre Wellen – drinnen und draußen: Eine Villa am Atlantik feiert die ikonische Architektur von John Lautner und den kalifornischen Lifestyle der Sixties.
Text Uwe Killing
Datum26.10.2022

Die Felsen über der Bucht von Clifton zählen zu den begehrtesten Plateaus Kapstadts. Während man auf die Wellen und das noble Strandleben herunterschaut, wähnt man sich
hoch oben auf der Terrasse des Hauses Nettleton Ridge in einem Film. Der spielt allerdings nicht am Atlantischen Ozean, sondern eher am kalifornischen Pazifik. Es sind Bilder von Jet-Set-Partys, Cocktails und luxuriösem Nichtstun, die im Kopf entstehen. Architektur und Retro-Interieur erinnern an Villen, in denen James-Bond-Bösewichte oder exzentrische Millionäre zuhause sein könnten.

Das Haus in exklusivem Stadtteil Clifton ist eine gebaute Fantasie. Im Entwurf des Kapstädter Büros Peerutin Architects drückt sich eine große Bewunderung für die Architektur aus, die in den Fünfziger- und Sechzigerjahren an der US-Westküste populär geworden ist. Verbunden ist sie vor allem mit dem Architekten John Lautner, der legendäre kalifornische Gebäude wie das Sheats Goldstein House oder das Silvertop House geschaffen hat: Da erheben sich wellenförmige Wände und Plattformen organisch von Felshängen. Die verglasten Innenräume verschmelzen mit ihren weiten Ausblicken. Eine flirrende Symbiose aus Steinskulptur und futuristischem Flugobjekt. Es war eine Ära, in der technologischer Fortschritt glamourös war, die daraus abgeleitete Ästhetik einen Lebensstil prägte.

Ein Haus, das wie aus einem Fels herauswächst

Die Villa gehört dem Bankier Lloyd Pengilly. Dieser habe sich "keinen weiteren kastenartigen Bau" auf den Klippen gewünscht. Auf dem 90 Meter breiten und 20 Meter tiefen Grundstück sollte das Gebäude vielmehr aus der Landschaft herauswachsen. "Am Standort stachen die Welligkeit der umliegenden Hügel und die Straßenkonfiguration heraus", erklärt David Peerutin, "wir haben uns deshalb für eine Struktur entschieden, die diese Formen nachahmt." Lautner-Stil, übersetzt ans Kap der Gegenwart. Peerutin: "Es gibt einige direkte Übersetzungen von Lautners ikonischen Formen, aber diese wurden angepasst und gehen nun in einen viel breiteten Kontext auf."

Lounge, Bar, Pool und Ufos

Das Haus ist auf vier Ebenen aufgeteilt. Die unteren beiden sind mit Stein verkleidet, um den Berghang nachzuahmen. Im Kontrast zu diesem soliden Sockel sind die oberen beiden Ebenen mit den Wohn und Schlafräumen als leichte, skulpturale Betongruppe gestaltet, mit der Innen- und Außenbereich verschmelzen. Der Hauptwohnbereich soll so wirken, als wäre ein Stück Strand unterhalb des Hauses aus dem Boden geschossen und hätte sich in ein vornehmes Wohnzimmer verwandelt. Von der Lobby, die durch die Garage betreten wird, führt eine Wendeltreppe auf eine Plattform mit Bar, Innenpool und Gästezimmern. Eine Etage höher befindet sich der Hauptwohnbereich mit Lounge, Esszimmer und Küche. Die oberste Ebene bilden zwei ausladende Gebilde – wie fliegende Ufos –, zu deren Füßen ein Pavillon und ein Pool mit Bar das nostalgische 007-Flair abrunden.

Große Fensterfronten, erhabene Momente

Bei der Ausgestaltung hat Peerutin Architects eng mit Silvio Rech und Lesley Carstens von Architects and Interiors (SRLC) zusammengearbeitet. Das Duo hat selbst schon einige spektakuläre Häuser entworfen, darunter einige Safari-Lodges. "Wir wollten nicht nur in den architektonischen Stil des amerikanischen Modernismus, sondern in den mentalen Raum einer Ära eintauchen", sagt Silvio Rech, "diese war betört von Raumfahrt, Badeanzügen und Partys." Die riesigen, geschwungenen Fenster im Haus erinnern an Flughafentürme. Silvio Rech: "Es gab in dieser Zeit diese überlebensgroße Sichtweise auf die Dinge. Ich finde es sehr erhebend."

Puristische Formen treffen auf Spielwitz

Überall säumen Lattenholzvertäfelungen – viele davon akustisch behandelt – die Wände. Es bringt eine samtige Ruhe in die Innenräume und kontrastiert mit der Rohheit des offenen Betons. Fußbodenplatten aus Granit stellen eine Verbindung zum umgebenden Felsen her. Dieses mit wenigen Schlüsselmaterialen erzielte Purismus lässt es wunderbar zu, mit der Einrichtung und ausgefallenen Möbelstücken sehr verspielt umzugehen. Einige Möbel ließen Silvio und Lesley maßschneidern, darunter Bartheken, Sofas, Betteinheiten, Schreibtische und Esstische. Dabei ließen sie sich von Vintage-Referenzen aus den Sechziger- und Siebzigerjahren leiten, integrierten aber auch dazu passende zeitgenössische Objekte wie Tom-Dixon-Leuchten, den "Husk Armchair" von Patricia Urquiola oder Sebastian Herkners "Bell Table"-Tisch. Architekt David Peerutin: „Das Ergebnis ist eine nahtlose Fortsetzung des äußeren Ausdrucks bis in jedes Detail des Innenraums.“