Man ahnt: Wer so agiert, dem muss auch eine persönliche Handschrift in Architektur und Design geradezu zuwider sein – eine einheitliche oder gar wiedererkennbare Linie sucht man in Thuns Schaffen vergebens. „Seit 1998 haben wir uns entschlossen, nicht mehr zu signieren“, sagt er, der Stararchitekt, wohl wissend, was er damit aufgab: „Da scheiden sich die Geister, es gibt einen sehr erfolgreichen Designer in Paris, dessen Handschrift man immer erkennen kann, damit ist er sehr erfolgreich. Aber wir machen das Gegenteil, es ist für alle Platz.“ Zero-Design oder No-Design nennt Thun seine Strategie, und ein Beleg dafür steht vor ihm auf dem Tisch: eine Flasche, die so unauffällig ist, dass man darüber ins Philosophieren geraten könnte, eine Flasche, die so aussieht wie aus dem Kinderbuch, wie der Urtyp aller Flaschen – so wenig Design muss man erst mal hinbekommen. „Design muss neutral sein“, sagt Thun. „Es darf nichts Modisches haben, Freiheit vom Zeitgeist ist die Grundbedingung.“ Überraschend ist dieser Ansatz insofern, als Matteo Thun einst Teil einer sehr lauten, sehr programmatischen und sehr erkennbaren Formation war, nämlich der Gruppe Memphis um Ettore Sottsass. Die Gruppe machte in den 80er-Jahren Furore mit provokativen, bunten und emotionalen Entwürfen. Zu den bekanntesten, ja ikonenhaften Produkten von Memphis gehört eine Menage für Essig, Öl, Salz und Pfeffer, die jahrelang der größte Umsatzbringer für die Firma Alessi war. Design: Ettore Sottsass – gezeichnet aber hatte das Objekt ein junger Mitarbeiter namens Matteo Thun. Doch als aus Memphis’ trotzigen Design-Statements eine Erfolgsgeschichte wurde, schließlich die ewige Wiederholung des Gleichen, distanzierte sich Thun von der Bewegung. Er verließ Sottsass und Memphis, blieb aber im Segment lautstarken Pop-Designs. Als Kreativdirektor der Uhrenmarke Swatch, sagt er, „war ich geblendet, von der Vision, vielen Menschen für 50 D-Mark eine Identität geben zu können“. Doch diese Identität produzierte auch Tonnen von Plastikmüll, und Thun erinnert sich nachdenklich: „Im Nachhinein finde ich es falsch, Kunststoffobjekte zu einem Wegwerf-Gadget zu machen.“ Immerhin verdrei fachte sich der Absatz der Uhren während seiner Zeit bei dem Hersteller, und er lernte auch, sich mit neuen Technologien auseinanderzusetzen: „Ein mal habe ich dort ein Jahr lang an einer falschen Strategie gearbeitet, weil ich mich nicht für technische Innovationen interessiert hatte. Diese Erfahrung war ein unvergesslicher Tritt in den Hintern. Das wird mir in meinem Leben ganz bestimmt nie wieder passieren“.