AW Designer des Jahres
AW Designer des Jahres

AW Designer des Jahres 2023: Monica Förster

Dinge besser machen, auf verschiedenen Ebenen denken und immer wieder nach dem „Warum“ fragen – Monica Förster, AW Designer des Jahres 2023, wählt im Design niemals die einfache Lösung. Mit diesem Anspruch  hat es die Schwedin geschafft, unbeirrt ihren Weg in einer schnelllebigen Branche zu gehen. Mindestens ebenso wichtig für sie sind spannende Materialien und gutes Handwerk.
Text Uta Abendroth
Datum02.01.2023

Schon vor zehn Jahren, da war Monica Förster noch nicht einmal 50, erschien die erste Monografie über die Designerin. In dem Buch schrieb Mitautor Sam Grawe, das Design der Schwedin schreie nicht, es flüstere. Mag sein, dass das Stille, Unaufgeregte ein bisschen länger braucht, um wahrgenommen zu werden. Aber einmal richtig gesehen und verstanden, hat es eine ungleich längere Halbwertszeit als Lautes und Grelles. Vor allem in Zeiten, in denen Schönes sein darf oder muss, aber gestalterische Gadgets einer irgendwie selbstverliebten Vergangenheit angehören, in der Nachhaltigkeit und Klimawandel noch kein Thema waren. Nicht, dass Monica Förster so ihre Karriere begonnen hätte: Ihr erstes, schon durch und durch lösungsorientierte Produkt, ihre Abschlussarbeit Mitte der Neunzigerjahre an der renommierten Designhochschule Beckmans, war ein leuchtender Toilettensitz. Er war für das Gesundheitswesen gedacht, um beispielsweise Alzheimer-Patienten, die sich in der Dunkelheit zurechtfinden müssen, die Orientierung zu erleichtern.

Monica Försters Experimente mit Materialien

Dass Monica Förster einmal zu den erfolgreichsten skandinavischen DesignerInnen zählen würde, war nicht vorhersehbar. In Stockholm geboren, wuchs die heute 57-Jährige in Lappland auf, der Heimat ihrer Mutter. Der Vater, ein Deutscher, war ein bekannter Koch, der zu den Pionieren der New Nordic Cuisine zählte. Die Natur dort sei wundervoll gewesen, der Ort selbst abgelegen und hässlich. Allerdings setzte sich schon damals in den Siebzigerjahren das Mobiliar der Familie aus dänischen Klassikern zusammen, Entwürfe von Børge Mogensen und Arne Jacobsen standen im Restaurant und im Tagungsraum. Ob es abgefärbt hat? Schwer zu sagen, Design ist in den nordischen Ländern mit einer größeren Selbstverständlichkeit in privaten Haushalten und öffentlichen Einrichtungen vertreten. Monica Förster jedenfalls ging zurück in ihre Geburtsstadt, studierte an der Konstfack und der Beckmans School of Design, bevor sie 1999 ihr eigenes Studio eröffnete. Rückblickend sagt sie: „Ich hätte auch Wissenschaftlerin oder Künstlerin werden können, aber am Ende führten mich meine Experimente mit den unterschiedlichsten Materialien zum Produktdesign.“ 

Immer im Austausch: In Monica Försters Studio sitzen alle in einem Raum, die Atmosphäre ist ruhig und konzentriert. Umgeben ist das Team von diversen Holzobjekten für das bosnische Familienunternehmen Zanat, den gebogenen Leuchten „Circle“ (De Padova) und dem Akustikobjekt „Shell“ (Okko)

Ihr erstes kommerzielles Produkt, die Leuchte „Silikon“, kam bereits im ersten Jahr ihrer Selbstständigkeit auf den Markt. Produziert wurde sie von David Design, einem damals jungen schwedischen Label, dessen Gründer David Carlson sich die Erneuerung des skandinavischen Designs zum Ziel gesetzt hatte. Monica Förster jedenfalls verhalf die liegende Lampe aus Silikon, das eigentlich für Brustimplantate der Größe D+ gedacht war, zu ihrem internationalen Durchbruch. „Der Salone del Mobile in Mailand, wo David Design ausstellte, wurde zum Ausgangspunkt für meine Karriere“, erinnert sich Monica Förster. Bald darauf folgten die kabellose Leuchte „Load“ aus Polyethylen und „Cloud“, ein aufblasbares Zelt in Form einer Wolke, das zunächst von Snowcrash und später von Offecct produziert wurde. Die „Cloud“ ist ein mobiler Raum, gedacht als Rückzugsort, ein möglicher Treffpunkt für eine kleine Gruppe für ungestörtes Brainstorming am Arbeitsplatz oder ein Ausstellungskokon. Der temporäre eigenständige Raum aus reißfestem Nylon kann in jedem beliebigen Raum genutzt werden. Mithilfe eines Ventilators in der dazugehörigen Tragetasche ist er in drei Minuten einsatzbereit.

Es sind genau diese innovativen Projekte, bei denen Materialien in ungewöhnlicher Form in einem neuen Kontext zum Einsatz kommen, die Monica Förster zu internationaler Aufmerksamkeit verhalfen. Schließlich begannen große Marken, mit ihr zu kooperieren: Für Tacchini entwarf sie den Loungesessel „Glide“, der in den Verläufen von schmelzendem Schnee inspiriert ist. Der Pouf „Esedra“, produziert von Poltrona Frau, gleicht einem überdimensionalen Knopf, wie er bei der Heftung von Chesterfield-Sofas verwendet wird. Als wären Ringe, wie Akrobaten sie im Zirkus werfen, in der Luft hängen geblieben, gebändigt von scheinbar schwebenden Regalbrettern, so wirkt „Flying Rings“ für Gärsnäs

"Im Studio versuchen wir, die Essenz dessen zu finden, woran wir gerade arbeiten. Wir denken nie eingleisig, sondern lösen Probleme."
Monica Förster

Bei „Savannah“ steht die Handwerkskunst des Unternehmens Erik Jørgensen im Fokus: Die Struktur des Sofas besteht aus fein gearbeitetem Holz, das mit Sattelleder umhüllt ist. Die Details fallen dort ins Auge, wo die Holzteile der Struktur auf das Leder treffen. Bei dem Sofa „Melange“ für Wittmann sorgen Taschenfederkissen für außergewöhnlichen Sitzkomfort. Die Armlehnen lassen sich bei Bedarf unabhängig voneinander auf Sitzkissenhöhe nach außen klappen und verwandeln so das Sofa in eine Liegefläche.

Kreatives Teamwork – für Monica Förster essenziell

„Ich bin sehr kritisch und denke stets darüber nach, wie Dinge besser gemacht werden können“, beschreibt Monica Förster ihre Arbeitsweise. „Es ist nicht so, dass ich nach Fehlern suche. Es geht vielmehr darum, nicht nur ein Produkt oder einen Prozess, sondern auch mich selbst zu verbessern.“ Das tut sie mit Unterstützung ihres Teams. Gemeinsam mit Harald Sundberg, Johanna Fosselius und Jade Buignet arbeitet sie in zwei Räumen einer ehemaligen Brauerei, einem Gebäude aus dem 19. Jahrhundert im Stockholmer Szeneviertel Södermalm. Wenn man aus dem Fenster hinten in den Hof blickt, sieht man einen mannshohen Holzzaun. Ein Stück dahinter, in einem anderen Teil der Ex-Brauerei, lebt die Designerin mit ihrem Mann Staffan Hellstrand, einem bekannten Musiker, und ihrem Sohn. In dem von allen BewohnernInnengenutzten Innenhof mit zahlreichen Kirschbäumen steht ein Gewächshaus, wo es nach Kräutern duftet und das manchmal als Gartenbüro dient. Es ist ein Idyll, in dem man sich mehr auf dem Land als in der schwedischen Metropole wähnt.

Design zum Anfassen: Die Miniaturmodelle sind für Monica Förster wie eine Art Skizze, um Ideen zu präsentieren: „Sie sind emotionaler als Renderings oder Visualisierungen auf dem Computer und die Vision wird klarer“

Von hier aus verfolgt Monica Förster ihre Projekte, die abgesehen von Möbeln auch Accessoires wie Kerzenleuchter für Georg Jensen, Porzellan für Rörstrand oder Schmuckbehälter für Svenskt Tenn umfassen. „Natürlich geht es immer um die Idee, die wir in einem gemeinsamen Prozess hier im Studio vorantreiben“, sagt sie. Und betont: „Die Frage ist dabei immer wieder, warum machen wir einen Entwurf so und nicht anders? Kann man ihn anders denken, besser, nachhaltiger? Erst wenn die Idee final ist, kümmere ich mich um die Form, die Farbe und die Details.“

Design als Chance

Für einige Menschen in dem kleinen bosnischen Ort Konjic bedeutet Monica Försters Engagement für Design und traditionelles Handwerk jedenfalls nicht weniger als eine positive Veränderung ihrer Lebensbedingungen: Seit 2015 ist sie Art-Direktorin bei dem Familienunternehmen Zanat, das die lokale Schnitzkunst nicht nur bewahrt, sondern auch in zeitgenössische Produkte umsetzt. Fährt man mit der Hand über die Stühle, Tische und Accessoires, die aus Holz gefertigt und dann in aufwendiger Handarbeit verziert werden, spürt man die Wärme des Materials und, ja, die Raffinesse. 

Monica Förster: „Tatsächlich sind die Schnitzereien nicht bloß Dekoration, sondern vielmehr der Ausgangspunkt für einen neuen Entwurf.“ Das gilt für ihre eigenen Produkte wie den Hocker „Unity“ oder die Duft-Dosen „Scentense“ ebenso wie für die Möbel anderer Kollegen wie Michele De Lucchi, Ilse Crawford, Jean-Marie Massaud und Sebastian Herkner. Mittlerweile steht die bosnische Schnitzkunst auf der UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes – und die Belegschaft bei Zanat ist von 15 auf 70 Personen angewachsen.

Dank ihrer unerschöpflichen Neugier auf Materialien und Technologien erfindet Monica Förster immer wieder neue Typologien im Industrie-, Möbel- und Objektdesign. Was sie jetzt noch reizt? „Wir würden gerne mehr Häuser entwerfen, Ferienhäuser am liebsten“, sagt sie. Und nach kurzem Nachdenken fügt sie hinzu: „Was wir noch nie gemacht haben, sind Gläser. Ja, Weingläser wären ein schönes Projekt.“ Das klingt nach einem sehr bescheidenen Wunsch. Aber vielleicht auch nach einem ganz im Sinne von Monica Förster, denn beim Weintrinken kommen Menschen zusammen und das Design übernimmt dabei eine verbindende Rolle.