Architektur
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Doppelter Aufschlag für David Chipperfield Architects

In Berlin und Zürich eröffneten im Herbst 2021 puristische Museumsräume von David Chipperfield Architects. AW Architektur & Wohnen sprach mit David Chipperfield über die Neue Nationalgalerie in Berlin und das Kunsthaus Zürich. 
Text Jeanette Kunsmann
Datum23.06.2021

David Chipperfield, was macht eine gute Museumsgestaltung aus?

Ein Museum dient in erster Linie den Exponaten und in zweiter Verantwortung den Besuchern. Wie schafft man eine stimulierende Umgebung? Architektur steht im Dienst beider Aufgaben. Offensichtlich hat sich die Museumsarchitektur der letzten 30 bis 40 Jahre tiefgreifend verändert: Ein Museum muss Menschen anziehen, denn Museen brauchen Besucher. Museen sind aber nicht nur kulturelle Infrastruktur, sie sind auch soziale Infrastruktur.

Diesen Herbst werden zwei Museumshäuser wiedereröffnen, für die ihr Büro verantwortlich zeichnet. Ihre Handschrift ist klar lesbar, trotzdem unterscheiden sie sich.

Es waren sehr unterschiedliche Ausgangssituationen: Das eine die Restaurierung des Werks eines großen Architekten, das andere platziert sich als neues Gebäude in der Stadt. In Zürich war für uns der Kontext wesentlich freier.

Und in Berlin war der Kontext das Korsett der Denkmalpflege?

Wir mussten weder ein Gebäude noch ein Konzept entwerfen. Es war auch nicht unsere Aufgabe, die Entwürfe von Mies van der Rohe in Frage zu stellen, sondern ein Gebäude in seinem ursprünglichen Erscheinungsbild wiederherzustellen. Wir haben, soweit möglich, alles restauriert, was vorhanden war. Vielleicht wirkt die Decke heute nicht mehr so schön wie sie 1968 erschien. Ich denke auch nicht, dass wir für einem Ausstellungsneubau Teppich gewählt hätten. Aber der Teppich ist Teil der Neuen Nationalgalerie. Im Kunsthaus Zürich haben wir für die Böden Stein und Holz verwendet.

Beton und Holz, Stein und Messing: Welche Bedeutung haben Materialien und Oberflächen für Ihre Architektur?

Ich würde sagen, dass wir minimal bauen: eine Architektur, die reduziert, hoffentlich überlegt, intelligent ist. Und nicht übergestaltet. Ich mag es nicht, wenn ein Projekt erzählt, wie clever der Gestalter war. Architektur ist kein Ort für oberflächliche Gesten oder unreflektierte Gefühle. Unser Ansatz ist es, dass die grundlegenden Qualitäten von Architektur an erster Stelle stehen. Ich schätze historische Bauten sehr: Geschichte trennt das Oberflächliche vom Tiefgründigen.

Was erzählt Ihre Architektur?

Anders als eine Skulptur ist Architektur nicht nur für sich selbst verantwortlich. Beim Entwerfen geht es aber nicht allein um Funktionen. Funktionen sagen einem nicht, wie ein Entwurf aussehen soll. Es geht um einen höheren Zweck. Es geht darum, dass sich die Menschen wohlfühlen. Mir gefällt die Vorstellung, dass die Menschen gerne in unseren Gebäuden sind.