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Berliner Kreative: Tanja Lincke

Samt, Marmor, Gold – Architektin Tanja Lincke hat mit der "New York Bar" im Untergeschoss des Estrel Hotel Berlin einen absoluten Hotspot in der Neuköllner Barszene geschaffen.
Datum13.12.2022
Ruinengarten: Um ihr Haus an der Spree herum hat das Paar einen Ruinengarten angelegt, der die Industrieanlagen dekonstruiert und überzeichnet. Stauden, Gräser und Essigbäume wachsen auf dem Gelände der Werftanlage

Geschmack ist vergänglich, weiß Tanja Lincke. Ein Raum braucht deshalb eine gute Struktur und – ganz wichtig: Stimmigkeit. „Wenn das Grundgerüst einer Logik folgt, hält es allen geschmacklichen Fragen stand“, betont die Architektin. Das gilt auch für im Souterrain des Berliner Hotels Estrel gelegene New York Bar, die sie umgestaltet hat. Tanja Lincke ist keine Interiordesignerin, sondern Hochbauarchitektin und ging den Umbau aus der Planungsperspektive an. Die Bar war noch in Betrieb, aber nicht gut im Raum platziert, zudem von einem Lüftungsschacht und einer Stütze zerschnitten. Lincke sorgte nicht nur für eine klare Aufteilung, sondern auch für Dramatik.

Neues Museum: David Chipperfield hat 2009 ein neues Verständnis im Umgang mit Bestandsgebäuden etabliert

Konzentration auf das Wesentliche

Heute bildet die New York Bar einen eigenen Kosmos ohne Tageslicht. Tanja Lincke: „Ich wollte nicht gegen das Souterrain arbeiten, sondern noch dunkler werden, damit man in die Nachtwelt eintauchen kann.“ Der Barkörper steht jetzt als wichtigstes Element zentral im Raum. Der umlaufende Tresen wird zu einer Bühne aus Marmor und Messing, die Inszenierung der Flaschen im Regal zur Kulisse für eine Nacht. Eine gute Bar erlaubt für Lincke, dass man hier auch angenehm allein sitzen kann. Die Sitzgarnituren standen vorher im Foyer des Hotels und werden als Schätze aus den Achtzigerjahren gehütet. Lincke ließ sie aufarbeiten und neu beziehen, in einer Farbkombination aus Senfgelb und Altrosa, die mit allen Gewohnten bricht.

Galerie König: Umnutzung der St.-Agnes-Kirche durch Brandlhuber+ Emde, Schneider

Tanja Lincke arbeitet und wohnt mit ihrer Familie an der Spree, direkt neben dem Plänterwald, ihrem Lieblingsort. Auf dem Grundstück der ehemaligen DDR-Wasserschutzpolizei haben sie und ihr Mann, der Künstler Anselm Reyle, aus dem baufälligen Hauptgebäude einen Ruinengarten geschaffen, der von weiteren Gebäuden umspielt wird. Den Plänterwald liebt sie wegen seiner alten Buchen und Eichen. „Es ist ein Laubwald und kein Kiefernwald“, schwärmt Lincke, die noch ein paar weitere Lieblingsorte empfiehlt. In mehrerlei Hinsicht beeindruckend ist für sie die Galerie König in Kreuzberg in der ehemaligen St.-Agnes-Kirche von Werner Düttmann: „Arno Brandlhuber hat mit nur einer einzigen Intervention eine ganz neue Nutzung ermöglicht.“ Das Bode-Museum, vor allem den Donatello-Saal, besucht sie ebenso gern, und das Neue Museum von David Chipperfield: „Das Alte ist hier in seiner Alterung wie eingefroren, die neue Treppe nicht als Architektur, sondern als Skulptur hinzugefügt.“

„Wir sind in Berlin mit interessanten Orten verwöhnt.“ – Tanja Lincke, die aus Thüringen stammt und vorher in Brüssel gewohnt hatte, wollte 2008 unbedingt nach Berlin ziehen: „Berlin ist unkonventionell: Jeder kann so sein, wie er will.“ Berlin verändert sich weiter für sie: „Sie ist immer noch eine luftige Stadt. Aber es existiert auch genau das Gegenteil, die stereotypen Neubauareale. Die Gegensätze wachsen, der Druck steigt.“

Restaurantempfehlungen für Berlin von Tanja Lincke

Horvath

Klar und reduziert: Das Kreuzberger Restaurant am Paul-Lincke-Ufer von Sebastian Frank und Jeannine Kessler serviert anspruchsvolle und kreative Spitzenküche mit zwei Sternen und einem grünen Stern für nachhaltige Gastronomie.

restaurant-horvath.de

 

Grill Royal

Der erste Coup von Boris Radczun und Stephan Landwehr. Hier ist Essen wie Ausgehen für die, die nicht im Club stehen wollen. Im Grill Royal an der Spree treffen seit 2007 Hedonismus, Kunst und Szene aufeinander.

grillroyal.com
 

Le Petit Royal 

Geheimtipp: Seit 2016 findet sich die französische Dependance des Grill Royals an der Ecke Goethe-/ Grolmannstraße in Charlottenburg.

lepetitroyal.de