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Berliner Kreative: Almut Grüntuch-Ernst & Armand Grüntuch

Almut Grüntuch-Ernst und Armand Grüntuch, die 1991 das Büro Grüntuch Ernst Architekten gründeten, haben ein ehemaliges Frauengefängnis in der Charlottenburger Kantstraße zu ganz besonderer Metamorphose verholfen: Hinter einstigen Gittern befindet sich heute ein einzigartiges Boutiquehotel mit 44 Zimmern: das „Wilmina“.
Datum13.12.2022
Wilmina und Lovis: Im umgebauten Frauengefängnis an der Kantstraße 79 wurde im April 2022 das familiengeführte Hotel mit dem Restaurant Lovis eröffnet

Almut Grüntuch-Ernst und Armand Grüntuch wissen mit herausfordernden Transformationen umzugehen. Schon im Jahr 2010 konnten sie mit dem Umbau der ehemaligen jüdischen Mädchenschule in der Auguststraße in Berlin-Mitte Feingefühl beweisen. 2022 eröffnet das Architektenpaar nun ein Hotel in der Charlottenburger Kantstraße 79. Es ist ein besonderer Ort, der Bestand diente als Strafgericht und Frauengefängnis – ein Gemäuer mit dunkler Geschichte. Noch bis 1985 wurden hier Frauen inhaftiert. Mitten in der Stadt.

Verwandlungen: Der ehemalige Schleusenhof wurde überdacht, die Torbögen verglast, heute ist hier der Speisesaal des Lovis Restaurants

„In Berlin finden sich viele solcher Orte, die nicht alle musealisiert werden können“, findet Almut Grüntuch-Ernst. „Wie bringt man Leben und Lachen hinein, ohne dass die Historie überzeichnet wird und nicht mehr lesbar ist? Wie kann man dabei auch Raum erhalten, der eine bewusste Auseinandersetzung mit der Vergangenheit fördert?“ Grüntuch Ernst Architekten (GEA) haben die Geschichte des Gebäudes und der dort inhaftierten Frauen aufgearbeitet, dokumentiert und sie in die Metamorphose einfließen lassen. Als der Bestandsbau 1896 errichtet wurde, stand er als Solitär allein in dem Quartier, erst später wuchsen die Wohnungsbauten der Gründerzeit links und rechts die Kantstraße entlang – das Gefängnis quasi in Hofsituation. Was das familiengeführte Architektenhotel Wilmina heute zu einer unerwarteten Oase in zweiter Reihe macht.

Wilmina Berlin: Das denkmalgeschützte Amtsgericht haben Grüntuch Ernst in eine Plattform für Kollaborationen und Ausstellungen verwandelt.

Wilmina: Neues Leben in alten Mauern

„Die versteckte Lage im Hinterhof hatte für uns Potenzial“, erzählen die Architekten, die hier einen Ort der Kontemplation geschaffen haben. Die Balance zwischen Erinnern und Beleben gelingt ihnen durch die vielen kleinen und großen Spuren, die Gäste im Hotel entdecken können. In ihren Entscheidungen sind Grüntuch Ernst sehr konsequent. Die Zellentüren bleiben erhalten, die Gitter auch, nur werden die Fenster nach unten verlängert. Dadurch wirken die übrigen Gitter wie schützende Wimpern, die Fenster werden zu Augen, die in den Hof blicken lassen.

Wilmina Hotel: Die Geschossdecke über dem Souterrain wurde entfernt, das Fenster als Zugang in die Lobby erweitert

Aus den Ziegeln des abgetragenen Zwischenmauerwerks errichteten GEA einen Restaurantneubau mit eigenem Eingang, der als Gelenk zwischen dem straßenseitigen Gerichtsgebäude, dem Amtssalon – in dem nun Ausstellungen stattfinden – und dem Hotel sitzt. Dazwischen in den Höfen und auf den Flachdächern wachsen Gräser, Stauden und Bäume. „Alles an urbaner Wildnis, was hier gewachsen ist, habe ich gelassen“, erklärt die Architektin. „Mich interessiert auch, wie es sich weiterentwickelt und welche seltenen Pflanzen in diesem relativ schattigen Bereich miteinander eine Permakultur aufbauen können.“

Tipps für Reisende und Berlinerinnen und Berliner finden sich übrigens um die Ecke, zum Beispiel die im Dornröschenschlaf liegende Pestalozzistraße, wo man noch alte Geschäfte wie das Wald Königsberger Marzipan entdecken kann. Und auch zum Lietzensee und zum Ökowerk am Teufelsberg ist es nicht weit.

Restaurantempfehlungen für Berlin von Almut Grüntuch-Ernst & Armand Grüntuch

Engelbecken

Am Lietzensee findet sich seit 1999 mit der Speisewirtschaft Engelbecken in der Witzlebenstraße eine beliebte Wirtshausküche aus regionalem Anbau, die Tradition und Moderne gekonnt verbindet.

engelbecken.de

 

Ernst

Brutal lokal im Wedding: Dylan Watson-Brawn aus Vancouver verwandelt mit seinem Konzept den Restaurant- zu einem Opernbesuch. In kleiner Gesellschaft: Zwölf Plätze fasst das minimale Interieur von Gonzalez Haase AAS.

ernstberlin.de

 

Bar Brass

In der Bildgießerei Noack Am Spreebord 9 am Charlottenburger Spreeufer kombiniert die Bar Brass französische Küche ganz gelassen mit moderner Note.

barbrass.de