Von Thonet bis Oskar Zieta Design-Ikonen
Von Thonet bis Oskar Zieta: A&W präsentiert eine Auswahl der Design-Ikonen seit 1900 bis in die erste Dekade des 21. Jahrhunderts.

Design-Ikonen
1900
Gebrüder Thonet
209
Zu seinen Fans zählen berühmte Architekten, viele Gestalter hat er beeinflusst. Der „Schreibtischfauteuil Nr. 9“, (heute 209), besser bekannt unter dem Namen „Wiener Sessel“ wurde von den Gebrüdern Thonet (gegr. 1849) um 1900 entworfen und hergestellt. Das augenscheinlichste Gestaltungsmittel, nämlich der ausladende Bügel, der gleichzeitig Arm- und Rückenlehne bildet, ist aus massivem, gebogenem Buchenholz.
Der Däne Poul Henningsen schwärmte 1927: „Dieser Stuhl löst zur Vollkommenheit seine Aufgabe, ein leichter, bequemer Armlehnstuhl mit niedriger Lehne zu sein.“ Und der Schweizer Le Corbusier lobte ihn mit den Worten: „Noch nie ist Eleganteres und Besseres in der Konzeption, Exakteres in der Ausführung und Gebrauchstüchtigeres geschaffen worden.“ Überzeugt von der einzigartigen Qualität des Möbels setzte er es in vielen seiner Gebäude ein, etwa in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung. Die Amerikaner George Nelson und Norman Cherner nahmen ihn zum Vorbild für eigene Stuhlentwürfe (siehe Cherner Chair, 1958).

1902
Charles Rennie Mackintosh
Hill-House-Stuhl
Das Gestalten von Stühlen hatte es dem schottischen Allrounder Charles Rennie Mackintosh (1868–1928) angetan. Und hier galt sein Hauptaugenmerk der Rückenlehne – wie beim berühmten „Hill House“-Stuhl, den der Glasgower 1902 für das gleichnamige Haus des Verlegers Walter W. Blackie in Helensburgh entwarf.
Typisch sind die geraden Linien in Verbindung mit weichen Kurven, eine sparsame Dekoration, die sich auf Schachbrettmuster und Gitterwerk beschränkt. Die hohe Rückenlehne, die nicht nur dieses Möbel auszeichnet, stand im krassen Kontrast zu den opulenten Formen des kontinentaleuropäischen Jugendstils und zu dem eher streng-maskulinen Stil des englischen Arts and Crafts, und stieß in seiner Heimat auf wenig Gegenliebe. Ganz im Gegensatz zu Deutschland und Österreich, wo die Gestaltungsart des Schotten einen großen Einfluss ausübte, besonders auf Koloman Moser und Josef Hoffmann.
Den schwarzen „Hill House“-Stuhl schuf Mackintosh für das Schlafzimmer, er stand gemeinsam mit einem zweiten in einem weißen Raum – die beiden wurden bewusst als ausdrücklich dekorative Gegenstände inszeniert. Erst ab 1973 wurde der Stuhl bei Cassina serienmäßig hergestellt.

1908
Otto Blümel
Garderobe Nymphenburg
Vielseitigkeit kennzeichnet das Leben und Werk von Otto Blümel (1881–1973). In Augsburg als Sohn eines Anwalts geboren, begann er 1901 ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule München, das er 1904 nach dem Tod seines Vaters abbrechen musste. Blümel war befreundet mit Hermann Hesse, für dessen Bücher er Illustrationen, Scherenschnitte und Einbandzeichnungen anfertigte.
Er ging an die reformorientierte Kunstschule von Wilhelm von Debitzsch in München, wurde deren Mitarbeiter. 1907 – im Jahr der Werkbundgründung – übernahm er dort die neu errichtete „Klasse für Möbelentwurf“, arbeitete für die Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk“ in München, leitete deren Zeichensaal. In dieser Zeit entstanden seine Möbelentwürfe, von denen der Garderobenständer „Nymphen - burg“ von 1908 der bekannteste ist.
Gedacht war er für eine längst untergegangene Welt der Kaffee- und Wirtshäuser. Dennoch wirkt er (von Classicon hergestellt) über 100 Jahre nach seinem Entwurf immer noch frisch und aktuell.

1908
Josef Hoffmann
Nr. 670
„Die „Sitzmaschine“ von 1907/08, ein Werk Josef Hoffmanns (1870–1956), stellt den Übergang von herkömmlichen Formen in die geometrische Abstraktion dar. Sie wurde von Jakob und Josef Kohn angefertigt und ist als Brückenschlag zwischen Tradition und Moderne zu sehen. Diese Tendenz zur Reduktion auf geometrische Formen – die sichtbare Konstruktion aus gebogenen Vierkanthölzern, quadratisch durchbrochener Sperrholzlehne und halbkreisförmigen nach hinten geschwungenen Armlehnen – war dann typisch für die Wiener Werkstätten.
Die Kugeln daran, ebenfalls ein Markenzeichen Hoffmanns, sind nicht nur dekoratives Element, sie erfüllen auch eine klare Funktion: Zwischen ihnen lässt sich die Stange zur Neigung der Rückenlehne arretieren, dem Untergestell verleihen sie Stabilität. Es gab eindeutige Vorläufer, der berühmteste ist der sogenannte „Morris-Chair“ von Philip Webb aus dem Jahre 1866 – ein typisches Möbel der englischen Arts-and-Crafts-Bewegung. Es wird angenommen, Hoffmann habe die von Wittmann reedierte Sitzmaschine, die ursprünglich „Nr. 670“ und je nach Ausführung „Nr. 669“ hieß, für das Sanatorium in Purkersdorf entworfen. Dann wäre sie Teil eines Gesamtkunstwerks.
Josef Hoffmann ist für Wien und das Museum für Angewandte Kunst so wichtig, weil er eng mit dem Hause verbunden ist und vielfach für das Ausstellungsdesign verantwortlich war.“
Christoph Thun-Hohenstein,
Direktor des Museums für Angewandte Kunst, Wien

1913
Josef Gočár
Glasschrank
Während im Westen vor allem Maler und Bildhauer kubistische Werke schufen, gaben im Osten besonders in Prag Architekten und angewandte Künstler in dieser Stilrichtung den Ton an. Sie gründeten Klubs und Zeitschriften, schrieben nicht nur Programme und Manifeste, sondern entwarfen, bauten und gestalteten an ihrer Vision einer Stadt und eines Lebens der Zukunft. Architekt Josef Gocár (1880–1945) ist heutigen Prag-Besuchern als Erbauer des Hauses „Zur Schwarzen Mutter Gottes“ geläufig, das 1911/12 entstand.
Aus dem Jahr 1913 stammt sein „Glasschrank“, der herkömmliche Formen auflöst, ohne auf handwerkliche Präzision zu verzichten. Beinah wie in einem Animationsfilm scheint das Möbel ein Eigenleben zu haben, scheint zu tanzen, sich zu drehen. Das Spiel mit kristallinen Formen, mit gebrochenem und reflektiertem Licht sorgte schon bei der Werkbund-Ausstellung in Köln 1914 für Aufsehen.

1917
Bruno Marstaller
Bema/Moretta
Zuerst tauchten ähnliche Sitzgelegenheiten in Feldlagern der Britischen Expeditionsarmee in Asien und Afrika auf, wo Offiziere ihn als komfortables Möbel schätzten. Der Stuhl ist zerlegbar, nimmt zusammengepackt wenig Platz ein, ist in sich beweglich und gleicht daher Bodenunebenheiten ohne Weiteres aus.
Benno Marstaller (1870–1947), Gründer der Münchener Traditionsfirma, machte daraus ein Produkt für den Alltag. Der nach den ersten beiden Buchstaben von Vor- und Nachnahme Marstallers benannte „Bema“-Stuhl wird bis heute hergestellt.
Das erste Exemplar erhielt 1917 angeblich Kaiser Wilhelm II. Die von Zanotta reproduzierte Version (Bild) heißt „Moretta“. Der Entwurf diente als Vorbild für Regie stühle ebenso wie dem Schweizer Designer Wilhelm Kienzle für seinen „Kolonialfauteuil“ (um 1928), das vom Schweizerischen Wohnbedarf vertrieben wurde. Der Däne Kaare Klint interpretierte ihn als „Safari“-Sessel für Rasmussen (um 1933). Unterschiede gibt es vor allem bei Material und Details der Beine sowie bei der Polsterung. Mit ihm zogen Robustheit und Archaik ins Wohnzimmer.

1924
Marcel Breuer
Kinderstuhl
„Die von Marcel Breuer (1902–1981) entworfenen Stühle wurden 1924 in der Tischlerei des Bauhauses in Weimar hergestellt. Den Werkstattberichten zufolge wurden im Sommer desselben Jahres mehr als vierzig Kinderstühle produziert, die offenbar von einem Kindergarten in Auftrag gegeben worden waren. Die Maße der Stühle sind an der Größe der Kinder unterschiedlichen Alters orientiert: Sie „wachsen“ gewissermaßen mit.
Die Stühle gehören zu Breuers frühen Möbeln, die als skulpturale Konstruktionen zu verstehen sind, bei denen zwischen tragendem Gerüst aus schlanken Profilen und Flächen aus dünnen Materialien unterschieden wird. Obwohl beispielsweise die Regeln des De Stijl zu einer intensiven Auseinandersetzung geführt haben, lag dem Entwurf Breuers dennoch kein künstlerischer, sondern ein funktionaler Ansatz zugrunde. Die Stühle waren zudem haltbar, günstig, von einer schlichten Schönheit und für die serielle Herstellung tauglich. Damit erfüllten sie die von Walter Gropius für das Bauhaus formulierten Grundsätze.“
Annemarie Jaeggi,
Direktorin des Bauhaus-Archivs, Berlin

1925
Marcel Breuer
B 3
Ein Fahrradlenker war es, der Marcel Breuer (1902–1981) zu seinen Experimenten mit Stahlrohr inspiriert haben soll. 1925 wurde der junge Designer zum Leiter der Möbelwerkstatt am Bauhaus Dessau berufen – und begann, sich mit dem für die Möbelfertigung neuen Werkstoff zu beschäftigen. „B3“, der berühmteste dieser Entwürfe, wurde für das Wohnzimmer des Künstlers und Bauhaus-Kollegen Wassily Kandinsky entwickelt, weshalb er später den Beinamen „Wassily-Stuhl“ bekam.
Der Sessel verkörpert die Bauhaus- Idee von demokratischem Design: Er ist leicht, stabil und dank einfacher Steckverbindungen für die Massenproduktion geeignet. Der Reiz des damals neuen Materials wird unterstrichen durch die offenen Verbindungen, jede Schraube durfte und sollte gesehen werden. „B3“ war auch eine neue Definition dessen, wie ein Sessel aussehen kann: Man lehnt sich auf der schrägen Sitzfläche gemütlich zurück wie in einem Clubsessel, ohne ein schweres, massives Möbel in der Wohnung zu haben.
In den 60er-Jahren begann die italienische Firma Gavina mit einer Neuauflage unter dem Namen „Wassily Chair“, seit der Übernahme der Firma produziert Knoll International den Bauhaus-Klassiker.

1926
Mart Stam
S 33 Kragstuhl
Nicht nur Marcel Breuer experimentierte in den 20er-Jahren mit Stahlrohr, auch der niederländische Architekt Mart Stam (1899–1996) zeigte 1926 einen auskragenden Stuhl aus Stahlrohr in der Ausstellung der Weißenhofsiedlung. Allerdings war seine Version etwas steifer und weniger flexibel als Marcel Breuers ebenfalls 1926 entworfenes Modell „B32“, das beim Sitzen leicht nachgeben konnte und durch die Elastizität den Eindruck verschaffte, man würde auf einem Luftkissen sitzen.
Thonet produzierte „B32“ ab 1929, woraufhin Anton Lorenz, der Rechteinhaber von Mart Stam, einen Urheber rechtsstreit anstrengte. 1932 wurde Mart Stam die künstlerische Urheberschaft am kubischen Freischwinger zugesprochen, Marcel Breuer bekam zunächst keine Tantiemen für den „B32“, der – allerdings als „S32“ – bis heute von Thonet produziert wird. Dagegen konnte Mies van der Rohe, dessen Freischwinger „MR10“ und „MR20“ ab 1927 hergestellt wurden, sein Urheberrecht durchsetzen mit dem Argument, dass die rund geformten Vorderbeine seine Erfindung waren.

1927
Eileen Gray
Adjustable Table
Eileen Gray (1878–1976), zweifellos eine der wichtigsten Designerinnen des 20. Jahrhunderts, war Tochter einer irisch-schottischen Aristokratenfamilie und ging nach ihrem Studium nach Paris, wo sie Interieurs gestaltete und die Galerie Jean Désert betrieb, um ihre Möbel zu verkaufen. Nachdem sie den rumänischen Architekten Jean Badovici getroffen hatte, konzentrierte sie sich auf die Architektur – und baute mit ihm und für ihn 1924 das Haus „E 1027“ in Rocquebrune an der Côte d’Azur.
Auch das Interieur für das moderne Haus an den Klippen entwarf Gray selbst – und dabei entstanden ihre bekanntesten Möbel. Neben dem „Bibendum Chair“ ist der höhenverstellbare „Adjustable Table“ ihr berühmtestes Stück. Inspiriert von Marcel Breuers Stahlrohr-Experimenten am Bauhaus Dessau, arbeitete Gray mit dem neuen Material, ließ es aber eleganter und weniger rationalistisch wirken. Angeblich dachte Gray bei dem Entwurf des Tischchens an eine ihrer Schwestern, die liebend gern ihr Frühstück im Bett einnahm. Das Stück ist einer der meistkopierten Designklassiker und wird von Classicon ediert.

1933
Alvar Aalto
Hocker No 60
Drei L-förmig gebogene Beine und eine runde Sitzfläche – so einfach der Hocker „60“ aussieht, so genial ist sein Konzept. Der Finne Alvar Aalto (1898–1976), der für ein organisches Design im Einklang mit Mensch und Umwelt eintrat, bezeichnete den Hocker „60“ als seinen wichtigsten Entwurf. Die Verbindung zwischen dem horizontalen und dem vertikalen Element eines Sitzmöbels ist eine Sollbruchstelle.
Das „gebogene Knie“, das er für diesen Hocker erfand, ist stabiler als rechtwinklige Verbindungen. Aalto entwickelte ein Verfahren, Schichtholz ohne Dampf zu biegen, indem er die Elastizität von Birkenholz ausnutzte. Die von ihm 1935 in Helsinki gegründete Firma Artek stellt den Hocker „60“ seit über 75 Jahren her, weitestgehend noch nach dem von ihm entwickelten Prinzip. Verkauft wurde der robuste Klassiker über acht Millionen Mal. Kopiert vermutlich ebenso oft.

1934
Christian Dell
6631 Luxus
Unter ihrem Licht waren Kriminelle geständig – im fiktiven wie im wirklichen Leben. Die „Luxus 6631“ von Christian Dell (1893–1974) stand nicht nur auf den Schreibtischen von TV-Kommissaren wie Haferkamp und Keller, sondern auch in vielen Arbeitsräumen der Polizeibehörde und nicht nur dort. Sie war in den 1950er-Jahren die häufigste Schreibtischleuchte in deutschen Büros.
Das lag daran, dass die Leuchte, die der ausgebildete Silberschmied und spätere Leiter der Metallwerkstatt am Weimarer Bauhaus um 1934 für die Lampenfabrik Gebrüder Kaiser & Co. entworfen hat, funktional war und formal in die Zukunft wies. Die asymmetrische Form des Lampenschirms aus lackiertem Stahlblech sorgt für eine optimale Lichtstreuung. Das typische Kugelgelenk am Fuß der Platte, durch die das Kabel geführt wurde, ließ Christian Dell sich patentieren. Die berühmte Arbeitsleuchte wird immer noch produziert, heute von Fritz Hansen.

1936
Alvar Aalto
Savoy
Als der finnische Architekt Alvar Aalto (1898–1976) eine Vase bei der Pariser Weltausstellung 1937 einreichte, ahnte er wohl kaum, dass das kühn geschwungene Glasgefäß die berühmteste Vase der Welt werden würde und ihm zum internationalen Durchbruch helfen sollte. Den Namen jedoch – „Eskimoerindens skinnbuxa“, übersetzt „weibliche Eskimo - lederhose“, wurde bald in „Savoy“ geändert, benannt nach dem Restaurant im Hotel Savoy in Helsinki, das Aalto entworfen und die Vase darin platziert hatte.
Ob tatsächlich eine weibliche Eskimolederhose als Inspiration für den Entwurf diente, ist unbestätigt. Andere Erklärungen für die ungewöhnliche Form besagen, der Architekt habe sich als Sohn eines Kartografen an den Konturen der Seen seiner finnischen Heimat orientiert. Die erhaltenen Skizzen zeigen grobe Zeichnungen auf farbigem Papier und Pappe mit Bleistift, weißer Tinte und Kreide. Noch heute wird die Vase von der finnischen Firma Iittala in Holzformen mundgeblasen.

1938
Hans Coray
Landi-Stuhl
„Der Stuhl gilt zu Recht als Königsdisziplin für Designer: Obwohl die Rahmenbedingungen wie Sitzhöhe, Anzahl der Beine und statische Anforderungen eng gesteckt sind, werden jährlich Hunderte neue Modelle entwickelt. Insofern spiegeln Stühle die „vitalen Ideen“ und den gestalterischen Kontext ihrer Entstehungszeit besonders gut. Dies gilt auch für den „Landi-Stuhl“ von Hans Coray (1906–1991), den er anlässlich der Schweizerischen Landesausstellung von 1939 entworfen hatte. Coray wollte die Schweizer Wirtschaft zeitgemäß repräsentieren.
Ohne eigene Rohstoffe, setzte die Industrie schon früh auf die energieintensive Aluminiumproduktion, welche dank der Wasserkraft aus den Bergen günstig war. Begeistert schrieben Zeitgenossen von „der weißen Kohle“, die den „Landi“ als unglaublich leichten, ergonomischen, federnden, stapelbaren und formschönen Stuhl erst möglich machte. Andererseits repräsentierte der Stuhl einen modernen und eleganten Gegenentwurf zum nationalen Formvokabular jener Jahre.“ Nur echt mit 91 Löchern, wird er heute von Westermann wieder aufgelegt."
Christian Brändle,
Direktor des Museums für Gestaltung, Zürich

1939
Holger Nielsen
Vipp-Treteimer
Der Däne Holger Nielsen (1911–1992) gewann 1931 mit einem Lotterielos ein Auto. Leider war er erst 17 Jahre alt und hatte keinen Führerschein. Er verkaufte den Wagen und setzte den Erlös für den Kauf einer Metalldrehbank ein. Nur acht Jahre später entwarf der frisch Vermählte für den Friseursalon seiner Angetrauten, Marie Axelsen, einen Mülleimer. Der Clou: Durch einen Mechanismus ließ sich der Eimer mit einer Fußbewegung öffnen.
Was zuerst nur ein praktisches Einzelstück war, entwickelte sich bald zum Serienmodell, denn Maries Kundinnen orderten das Produkt für die Arztpraxen ihrer Männer. Bis zum Tod des Firmengründers war der „Vipp“-Treteimer ein reines Großkundenprodukt. Als seine jüngste Tochter Jette Egelund die Firma übernahm, öffnete sie einen weiteren Geschäftszweig: Der Treteimer eroberte von diesem Zeitpunkt an auch private Haushalte. Noch immer wird der Eimer von dem dänischen Unter nehmen Vipp nehezu originalgetreu hergestellt.

1939
Jorge Ferrari-Hardoy, Juan Kurchan, Antonio Bonet
Butterfly Chair
Drei junge argentinische Designer namens Jorge Ferrari- Hardoy (1914–1977), Juan Kurchan (1913–1975) und Antonio Bonet (1913–1989), Schüler Le Corbusiers, brachten 1939 auf den Punkt, worum sich Designtheoretiker die Köpfe heiß redeten. Sie schufen ein bequemes, praktisches Sitzmöbel, das leicht, stapelbar und obendrein noch preiswert in der Herstellung war.
Der „Butterfly Chair“ basierte auf dem Prinzip des klassischen Faltschemels, verbunden mit der Leichtigkeit einer Hängematte. Ein Stahlrohrgestell bildet vier Eckpunkte, an denen eine Sitzfläche aus Leder aufgehängt wird. Nachhaltig ist das Design, denn der Bezug kann ausgetauscht werden, ohne das Gestell zu wechseln. Hergestellt wurde der unkomplizierte und bequeme Sessel ab 1941 von Artek-Pascoe, 1947 erwarb Knoll die Rechte. In den 50er-Jahren avancierte der „Butterfly Chair“ zum Kultobjekt – heute produziert von Manufakturplus.

1940
Finn Juhl
Pelikan
Finn Juhl (1912–1989) ist einer der Wegbereiter der dänischen Moderne. Der in Frederiksborg geborene Designer studierte Architektur, baute aber nur einige wenige Häuser und konzentrierte sich bald auf den Entwurf von Möbeln. Seine Entwürfe sah er als einen Weg, um Räumen Ausdruck zu verleihen. Handwerkskunst, Möbel und freie Kunst waren der Dreiklang, mit dem Finn Juhl Räume gestaltete.
Sein 1940 entworfener Sessel „Pelikan“ bringt alles drei zusammen: eine skulpturale, organische Form, einen spielerischen Umgang mit Farbe, perfekte Verarbeitung der handgenähten Bezüge und ein hohes Maß an Bequemlichkeit. Als der exzentrische Sessel zunächst in kleiner Stückzahl auf den Markt kam, nannten ihn Kritiker „ein müdes Walross“. Heute zählt der „Pelikan“ zu den begehrtesten Juhl-Entwürfen und wurde 2003 vom dänischen Hersteller Onecollection wieder aufgelegt. Zum 70. Geburtstag wurde eine Pelikan-Reedition mit Polsterknöpfen auf den Markt gebracht.

1947
Hans Wegner
Peacock
Anders als Alvar Aalto, der Biegetechniken für Schichtholz entwickelte, um moderne Sitzmöbel aus Holz zu gestalten, blieb der dänische Möbeltischler und Designer Hans Wegner (1914–2007) bei traditionellen Holzverarbeitungstechniken. Sein 1947 vorgestellter Sessel „Peacock“ ist eine moderne Variation des klassischen englischen Windsor Stuhls. Die typische Rückenlehne aus gedrehten Stäben zog er auf und flachte die Streben an der Stelle, an der die Schulterblätter aufliegen, ab, sodass sie an Pfauenaugen erinnern.
So verband er bewährte Formtypen, natürliche Materialien und traditionelle Handwerkskunst. „Ein guter Stuhl ist eine Aufgabe, die man nie ganz abschließen kann“, sagte Wegner einmal, und Stühle waren das Thema seines Lebens. Während seines über 70-jährigen Schaffens hat er mehr als 500 Stühle entworfen. Der Peacock Chair wurde zunächst von Carl Hansen & Søn produziert, seit 1991 von PP Møbler.

1948
Ray und Charles Eames
La Chaise
Zwar gewann die Sitzskulptur „La Chaise“, mit der Charles (1907–1978) und Ray Eames (1912–1988) an dem vom MoMA 1948 ausgelobten Wettbewerb „Low-Cost-Furniture-Design“ teilgenommen hatten, keinen Preis, erregte aber wegen ihrer fließend-eleganten Form viel Aufsehen. Sie wurde in dem Katalog, der wegen der großen Beteiligung und der langwierigen Fertigung der Prototypen erst 1950 erscheint, besonders gewürdigt.
„La Chaise“ – der Name ist einerseits eine Hommage des Paares an den franko-amerikanischen Bildhauer Gaston Lachaise, andererseits bedeutet er „Stuhl“. Er besteht aus zwei hauchdünnen, miteinander verklebten Fiberglasschalen. Hartgummischeiben halten diese auf Distanz, der Hohlraum wurde mit Styrol ausgeschäumt. Die Öffnung im Rücken betont die Leichtigkeit der Konstruktion auch optisch. Durch die fünf, teilweise schräg angeordneten Stäbe und das hölzerne Fußkreuz wirkt das Möbel, als würde es schweben. „La Chaise“ wird seit 1990 von Vitra produziert.

1948
Ray und Charles Eames
RAR
Anfangs gab es ihn nur in Pergamentweiß, Hell- und Dunkelgrau. Doch schon wenig später kamen andere Farben dazu. Der „RAR“ gehörte zu einer Reihe von Möbeln, die Charles (1907–1978) und Ray Eames (1912–1988) 1950 für den Wettbewerb „Low-Cost-Furniture-Design“ des MoMA bauten. Das Team hatte einen preiswerten, leichten und vielseitigen Stuhl für junge Familien im Auge – ein Stuhl mit einteiliger Sitz-Rückenschale, die aus einem durchgehenden Metallblech gestanzt werden sollte.
Doch schnell stellte sich heraus, dass die Produktion zu aufwendig und deswegen kostspielig war. Auf der Suche nach einem billigeren Material stießen die Amerikaner auf die Firma Zenith Plastics, die während des Krieges Radarschirme aus glasfaserverstärktem Kunststoff hergestellt hatte. Der Schaukelstuhl gehörte zu den ersten, von Herman Miller hergestellten Varianten. Heute fertigt den „RAR“ die Firma Vitra in Weil am Rhein.

1949
Carlo Mollino
Arabesco
„Dieser Tisch steht einerseits für die Blütezeit des italienischen Designs in der Nachkriegszeit und ist zugleich das Werk eines unverkennbaren, exzentrischen Individuums. Carlo Mollino (1905–1973) hatte das Feingefühl eines Surrealisten, die Form der Tischplatte lässt sich direkt zurück - führen auf die Zeichnung einer liegenden Figur des surrealistischen Künstlers Leonor Fini.
Es ist ein phantastischer Tisch, dessen kurvenreiche Formen die Möglichkeiten des Materials Schichtholz ausloten. Der Kontrast zwischen dem warmen, gewellten Holz und dem kalten, harten Glas der Tischplatte verleiht „Arabesco“ etwas Skulpturales. Ich habe mich sehr gefreut, dass wir den Tisch, den Zanotta produziert, in der Sammlung des V&A haben – und wir zeigen ihn, wenn wir die neue Möbelgalerie Ende 2012 eröffnen.“
Martin Roth,
Direktor des Victoria & Albert Museums, London

1951
Rosemarie und Rico Baltensweiler
Type 600
Ursprünglich bauten die Schweizer Innenarchitektin Rosemarie Baltensweiler (*1920) und ihr Ehemann Rico (1920– 1987), Ingenieur bei der Schweizer Bundesbahn, die Leuchte „Type 600“ für den Eigenbedarf. Es fehlte ihnen ein flexibles Licht im Wohnzimmer, und so entwickelten sie die Stehleuchte, die mit sechs Gelenken größtmögliche Beweglichkeit bot und bei aller Eleganz noch ausreichend stabil war. Das feingliedrige Wesen überzeugte nicht nur die Designer, sondern auch Freunde, Kunden und den Hersteller Knoll International.
1956 nutzte Le Corbusier „Type 600“ für die Einrichtung einer Musterwohnung, zwei Jahre später hatte sie einen Auftritt im supermodernen Filmhaus von Jaques Tatis „Mon Oncle“, 1957 wurde sie in die „Neue Sammlung“ in München aufgenommen. Mit der „Type 600“ war der Grundstein für die Leuchtenmanufaktur Baltensweiler gelegt, die heute auf LED-Leuchten spezialisiert ist. Als Hommage an die Glühbirne wurde die Stehleuchte im Herbst 2011 als nummerierte und limitierte Edition auf den Markt gebracht.

1952
Arne Jacobsen
Ameise
Der Däne Arne Jacobsen (1902–1971) war eigentlich erzkonservativ: Er schwärmte für Antiquitäten, mochte erlesene Weine, war leidenschaftlicher Botaniker und führte ein recht ruhiges Leben. Und dennoch waren seine Entwürfe revolutionär, auch wenn sich Jacobsen selbst als „Gebrauchskunst-Designer“ bezeichnete. Mit der berühmten dreibeinigen „Myren“ (Ameise) schuf er 1952 den ersten intelligenten und stapelbaren Kantinenstuhl der Geschichte.
Die durchgehende Form des Sperrholzes mit der markant eingezogenen Taille verlieh dem Stuhl seinen Namen, hatte aber auch eine wichtige Funktion: Durch die sehr schmale Verbindung zwischen Sitzfläche und Rückenlehne gibt der Stuhl etwas nach, was ihn äußerst bequem macht. Heute produziert die Firma Fritz Hansen den Stuhl als Modell „3100“ in vielen Farben und zwei Varianten: eine mit drei und eine mit vier Beinen (letztere allerdings erst nach dem Ableben des Gestalters).

1953
Egon Eiermann
Tischgestell 1
Als Architekt Egon Eiermann (1904–1970) sein bekanntes Tischgestell entwarf, hatte er einen Zeichentisch im Sinn. Ein Vorläufer mit einfacher Querstrebe findet sich bereits 1943 im Zeichenraum von Eiermanns Bauleitungsbaracke in Beelitz bei Berlin. Das kontinuierlich weiterentwickelte Gestell wurde zeitweise in der Schlosserei der TH Karlsruhe gefertigt, der Hochschule, an der Eiermann lehrte. Zwei H-förmige seitliche Stahlrohrrahmen werden durch ein dazwischengeschweißtes schräg liegendes Rohrkreuz stabilisiert.
Eiermanns Bauten erzeugten Leichtigkeit durch große Glasflächen, auskragende Vordächer und schwebende Stege, wie etwa beim Deutschen Pavillon für die Weltausstellung 1958 in Brüssel, den er mit Sep Ruf entwarf. Seine Möbel verbinden Vielseitigkeit und Pragmatismus. Die Unterkonstruktion nutzte der Architekt mal als Basis des Altars für die Matthäuskirche in Pforzheim, mal als Gestell des modernen Klavicords, das 1954 auf der Triennale in Mailand gezeigt wurde. Die Eiermann Tischgestelle (neben dem ursprünglichen Entwurf, gibt es eine spätere, zerlegbare Variante) bietet heute der Hersteller Richard Lampert an.

1954
Willy Guhl
Gartenstuhl
In den 1950er-Jahren trat der Schweizer Zement-Hersteller Eternit an die Kunstgewerbeschule Zürich heran, auf der Suche nach neuen Einsatzmöglichkeiten für ein Material, das bis dahin vor allem in der Architektur Anwendung fand. Willy Guhl (1915–2004), damals Professor an der Hochschule, war begeistert von der Idee, mit Beton zu gestalten. Er entwarf das „Elefantenohr“, Blumengefäße, Sandkisten – und den legendären schleifenförmigen Gartenstuhl. Dessen Breite entspricht genau der Breite einer maschinengefertigten Eternitplatte.
Die Schleife wurde geformt, während das Material noch feucht war. Der zunächst „Strandstuhl“ genannte Schaukelstuhl war sofort ein Erfolg. Er verband Leichtigkeit mit Gewicht, Robustheit mit Eleganz, bodennahes Sitzen mit Luxus – und das alles mit einem geringen Produktionsaufwand. Das MoMA in New York bestellte ein Exemplar für seine Sammlung – und schickte es nach zwei Wochen wieder zurück, weil das Material Asbestfasern enthielt. Heute stellt Eternit den „Gartenstuhl“ asbestfrei her, mit Vertiefungen im Rücken, die für mehr Stabilität sorgen.

1955
Eero Saarinen
Tulip
Die Geradlinigkeit der Bauhaus-Gestalter war dem finnischamerikanischen Architekten Eero Saarinen (1910–1961) ein Gräuel. Weich fließende, organische Formen waren seine Antwort auf deren funktionalistische Strenge, und das optimistische, zukunftsorientierte Amerika der 50er-Jahre war die perfekte Umgebung für diese Formen: Saarinen baute den Gateway Arch in St. Louis und den TWA-Terminal des JFKAirport in New York.
Als Möbeldesigner wurde der Sohn fin nischer Einwanderer 1955 mit der „Pedestal Group“ berühmt: Esstisch, Beistelltisch, Hocker und Stühle, die auf einem Fuß standen. Über den „Tulip Chair“ sagte Saarinen selbst: „Ich wollte das elende Gewirr von Beinen aufräumen, das unsere Wohnungen zu einer unruhigen Welt macht. Ich wollte einen Stuhl, der eine Einheit ist. All die großen Sitzgelegenheiten der Geschichte, von Tutanchamuns Thron bis zu Thomas Chippendales Stühlen waren ein strukturelles Ganzes.“ Gefertigt wird der Tulpenstuhl von Knoll International.

1955
Georg Nelson
Coconut Chair
Der „Coconut Chair“ des US-amerikanischen Designers George Nelson (1908–1986) aus dem Jahr 1955 gilt als Möbel, das den „Form follows Fun“-Slogan der 1960er-Jahre vorwegnahm, erlaubte es doch eine unkonventionelle Art des Sitzens. Die Anregung für seine abenteuerliche Form kam vom Teilen einer Kokosnuss, die äußere weiße Hülle symbolisiert das Fruchtfleisch, das innere schwarze Polster die äußere Schale der Nuss.
Dass diese Form Mitte der 50er-Jahre in der Luft lag, belegt auch das an eine Nussschale erinnernde Kresge-Auditorium Eero Saarinens für das Massachusetts Institute of Technology, das von vielen als das Vorbild für Nelsons Sessel genannt wird. Die frühe Version des Sitzmöbels bestand noch aus einem gebogenen Stahlblech, einer Schaumstoffpolsterung und einem Kunstlederbezug. Später stellte Herman Miller den Sessel aus fiberglasverstärktem Polyester her, mit einem Bezug aus Textil oder Leder. Seit 1988 wird der „Coconut-Chair“ von Vitra produziert.

1956
Dieter Rams, Hans Gugelot
SK4
Wie ein „Ufo unter Dampflokomotiven“ wirke die Radio- Phonokombination „SK 4“ gegenüber den Radio-Modellen der Nierentisch-Epoche, schrieb einst der „Spiegel“. Hans Gugelot (1920–1965), Dozent an der Ulmer Hochschule für Gestaltung, und Dieter Rams (*1932), damals 23-jährig und bei Braun als Architekt angestellt, planten ursprünglich einen Korpus ganz aus weiß lackiertem Blech, das preiswerter war als traditionelle Holzgehäuse. Nur die Seiten sollten aus Ahorn bestehen. Die Vibrationen des eingebauten Lautsprechers setzten allerdings den vorgesehen Blechdeckel in Bewegung, er klapperte. Eine Alternative musste her.
Dieter Rams schlug vor, eine Abdeckung aus transparentem Acrylglas zu verwenden. Er fuhr nach Ulm, diskutierte mit Gugelot ausgiebig die neue Lösung, und beide schufen einen neuen Produkttyp mit durchsichtigem Deckel. Ob aus Spott oder als Anerkennung: Bald hieß der „SK 4“, der 1956 auf den Markt kam, nur noch „Schneewittchensarg“. Ein Meilenstein des Braun-Designs und auch einer für Dieter Rams, der von 1961 bis 1995 Chefdesigner bei Braun war. Reizvoll, wenn auch nicht im Sinn der beiden Designer, ist der Kontrast des gradlinigen Gehäuses zu dem organisch geformten Tonabnehmer, den Wilhelm Wagenfeld bereits gestaltet hatte.

1956
George Nelson
Marshmallow
Bequem ist es nicht unbedingt, aber witzig. George Nelsons „Marshmallow“ Sofa (1956) ist ein Wegbereiter der Pop Art im Design. Entstanden ist das ungewöhnliche Sofa eher zufällig: George Nelson (1917–1986) und Irving Harper, ein bei ihm angestellter Designer, bekamen Besuch von einem Erfinder, der ihnen Scheiben zur Kunststoffeinspritzung vorstellte. Die beiden hängten 18 dieser Scheiben an ein Stahlgerüst, und es gefiel ihnen.
Die Plastikeinspritzscheiben erwiesen sich als ein wenig unpraktisch, aber die Idee für „Marshmallow“ war geboren – bunte Kunststoffkissen, die an einem Gerüst montiert werden und in der Luft zu schweben scheinen. Hersteller Herman Miller biss sofort an und produzierte das Sofa. Zunächst wurden die Kissen mit Stoff bespannt, später mit Vinyl, damit die Bonbonfarben intensiver leuchten. Heute wird es von Vitra produziert.

1956
Ray und Charles Eames
Lounge Chair
„So warm und empfangsbereit wie einen gut eingetragenen Baseballhandschuh“ wünschten sich Ray (1912–1988) und Charles Eames (1907–1978) den Look ihres „Lounge Chair“. Etwas eleganter als der ist die moderne Version eines Clubsessels mit Ottomane dann doch geworden. Obwohl das Designerpaar sich ansonsten auf die Fahnen geschrieben hatte, erschwingliche Möbelstücke zu gestalten, war der „Lounge Chair“ von Anfang an ein echter Luxusgegenstand, zumal er teils fabrik-, teils handgefertigt werden musste.
Seinem Erfolg stand das nicht im Weg, er ist ein Bestseller des erfolgreichen Designerpaares. Die drei Schalen waren ursprünglich mit Rosenholz furniert, die Lederkissen darauf wurden mit Entenfedern und -daunen und mit Schaum gefüllt. Heute besteht die Füllung aus Dracon und Schaum, das Leder ist auch in Weiß und das Furnier in Nussbaum oder schwarzer Kirsche erhältlich. Hergestellt wird der „Lounge Chair“ von Herman Miller (USA) und Vitra (Europa).

1957
Giò Ponti
Superleggera 669
Das Ergebnis seiner langjährigen Forschungs- und Entwicklungsarbeit warf der Architekt und Designer Giò Ponti (1891–1979) einfach aus dem Fenster. Vier Stockwerke in die Tiefe fiel „Superleggera“, traf dabei federnd wie ein Ball auf der Straße auf, ohne zu brechen. Pontis Kreativität kannte keine Grenzen. Ornamente begriff er als selbstverständlichen Bestandteil seiner Arbeit. Rhombische Formen etwa, konnten bei ihm dekorative wie konstruktive Aufgaben übernehmen.
Der „Superleggera“, bis heute mit 1,7 Kilogramm das Superleichtgewicht unter den Stühlen, resultiert aus einem mehrstufigen Prozess der Verbesserung. Ausgangspunkt war der traditionelle „Chiavari“-Stuhl. Pontis Neuinterpretation von 1949 ist noch grob und schwer. Weit eleganter wirkt „La Leggera“ von 1951, gefertigt aus runden Eschenholz- Elementen. Ponti schuf viele Wohn- und Geschäftshäuser sowie Designobjekte, bevor 1957 „Superleggera“ erschien. Mit dreieckigem Querschnitt der Bauteile, festen Verbindungen und einem leichten Geflecht spart Ponti Material und Gewicht. Den „Superleggera“ fertigt bis heute Cassina.

1957
Achille und Pier Giacomo Castiglioni
Mezzadro
Die Eigenart, einerseits essenzielle Dinge zu gestalten, ihnen aber auch immer eine spielerisch-ironische Komponente zu geben, zeichnet viele italienische Designer aus. Die Brüder Achille (1918–2002) und Pier Giacomo Castiglioni (1913– 1968) trieben es manchmal auf die Spitze. Ihr Hocker „Mezzadro“, den sie schon 1957 entwarfen, erinnert an die Arbeiten Marcel Duchamps: Artfremde, vorgefertigte Teile werden zu einem brauchbaren Objekt komponiert. Die „objets trouvés“ spielten im Leben der Brüder eine wichtige Rolle. Ihr Studio war voll davon, und Achille, 1997 der erste A&W-Designer des Jahres, hatte in seiner Wohnung sogar ein Fischerboot für den Aalfang.
Zu Beginn rief der „Mezzadro“ (zu deutsch: Halbpächter, was sich auf den Traktorsitz bezog) mehr Belustigung als Kauflust hervor. Und es dauerte bis in die 1970er-Jahre, ehe Zanotta das Sitzmöbel in Produktion nahm. Fortan bevölkerte es Restaurants, Bars und Büros. 1972 wurde der Sitz in der berühmten Ausstellung „Italy, the New Domestic Landscape“ im New Yorker MoMA geehrt.

1957
Poul Henningsen
Artichoke
Als die dänischen Architekten Eva und Nils Koppel 1957 für ihren Langelinie Pavillon in Kopenhagen nach einer neuen, großen Leuchte suchten, musste alles schnell gehen. Für den Neubau mit Seeblick, der bis heute als Ausflugsziel und Ort für Familienfeiern und Staatsbankette dient, suchten sie eine spektakuläre Möglichkeit der Beleuchtung und wandten sich an Poul Henningsen (1894–1967). Er hatte 1925 die erste nach seinen Initialen benannte „PH-Leuchte“ vorgestellt und seither viele Leuchten mit gestaffelten Lichtlenkelementen entwickelt, die dem elektrischen Licht eine atmosphärische Wirkung verleihen. Festlich und funktional wünschte sich Henningsen das Licht.
Für die „Artichoke“ (auch „Zapfen“ genannt) griff er auf einen nicht realisierten Entwurf zurück. Statt wie bislang Ringe regelmäßig um die Lichtquelle zu staffeln, befestigte er (versetzt auf zwölf Ebenen) Lamellen aus Kupfer an einem Stahlgerüst. Aus keinem Blickwinkel blendet die von Louis Poulsen produzierte Leuchte.

1958
Norman Cherner
Armchair
Unter dem Einfluss des deutschen Bauhauses beschäftigte sich der in Brooklyn/New York geborene Gestalter Norman Cherner (1920–1987) mit industriell herstellbaren Häusern, für deren Einrichtung er auch Möbel entwarf. In den 40er- Jahren unterrichtete Cherner am Fine Art Department der Columbia University und war wenig später Dozent am MoMA. Im Bereich des vorgefertigten Hausbaues war Cherner ein Pionier, Weltruhm aber erlangte der Designer, der auch in den Bereichen Grafik, Glas und Licht arbeitete, mit seinem „Cherner Chair“ aus dem Jahr 1958, auch wenn in der Designliteratur immer wieder Paul Goldman als Autor des Stuhls genannt wird. Er ist eine gelungene Mischung aus fünf bis 15-lagigem Sperr- und Massivholz.
Als Vorbilder für dieses Sitzmöbel mit den dynamisch geschwungenen Armlehnen werden der 1952 von George Nelson entworfene „Pretzel Chair“ und noch davor Thonets „Sessel Nr. 9“, auch bekannt als „Fauteuil Le Corbusier“ aus dem Jahr 1904 genannt. 1999 begannen die Söhne Cherners Benjamin und Thomas die Stühle unter dem Firmennamen Cherner wieder - aufzulegen – nach den Originalzeichnungen und -maßen.

1958
Arne Jacobsen
Egg Chair
Ende der Fünfzigerjahre, die Architektur befand sich gerade in der Hochphase des „International Style“, eröffnete das SAS-Gebäude in Kopenhagen. Es war das höchste Bauwerk Skandinaviens, ein Turm aus Glas und Stahl, Verwaltungssitz der skandinavischen Fluggesellschaft und Hotel. Entworfen hatte es Arne Jacobsen (1902–1971), der nicht nur für die Architektur, sondern auch für das gesamte Designkonzept des Hauses verantwortlich war.
Vom futuristischen Besteck über Leuchten und Stoffe bis hin zum Mobiliar. Für Suiten und Lobby entwarf er das „Ei“, die moderne Version eines gemütlichen Ohrensessels, dessen ovaler Kokon an eine aufgebrochene Eierschale erinnert. Die Bespannung der Sitzschale war mit aufwendiger Handarbeit verbunden, weshalb Hersteller Fritz Hansen bis heute nur sechs bis sieben Stück pro Woche produziert. Zusammen mit dem „Schwan“ bildete der organisch geformte Drehsessel einen skulpturalen Kontrast zu der Strenge des Gebäudes – und wurde schnell zum Symbol für Jet-Set-Eleganz.

1960
Verner Panton
Panton Chair
Ein Kunststoff-Monolith in Form einer sinnlichen S-Kurve und in leuchtenden Farben – welches Sitzmöbel wäre eine bessere Einleitung zum Jahrzehnt der Mondlandung als der 1959/60 entwickelte „Panton Chair“? Verner Panton (1926– 1998) feierte mit seinem Entwurf die Möglichkeiten des Materials Kunststoff. Es brauchte diverse Experimente, bis der visionäre Freischwinger in großen Stückzahlen hergestellt werden konnte.
1963 ließ Vitra einige Prototypen aus fiberglasverstärktem Polyester anfertigen und brachte 1967 eine limitierte Edition auf den Markt. Weil das Material aber Ermüdungserscheinungen zeigte und die Produktionskosten zu hoch waren, wurde weiter experimentiert – 1968 mit einer Version aus Polyurethan, ab 1970 mit ABS-Plastik. 1979 ging die Lizenz zurück an Verner Panton, kurzzeitig stellte die dänische Firma Horn die Freischwinger her. 1990, als mit dem Beginn der Techno-Ära auch das psychedelische Design des Space Age wieder in Mode kam, brachte Vitra eine Version aus Polypropylen auf den Markt – und machte den Panton Chair spätestens damit endgültig zur Pop-Ikone.

1962
Achille und Pier Giacomo Castiglioni
Arco
Unter tosendem Applaus beschrieb Achille Castiglioni (1918– 2002), A&W-Designer des Jahres 1997, auf der International Design Conference in Aspen 1989 die Vorzüge seiner Leuchte „Arco“, die er 1962 mit seinem Bruder Pier Giacomo (1913– 1968) entworfen hatte, und die bis heute von Flos produziert wird. Der damals 71-Jährige demonstrierte, wie man mit Hilfe eines Besenstiels die Leuchte vom Fleck bewegen konnte. Er erklärte, wie sie auf die Idee mit dem Bogen kamen, als sie bei einem Blick aus dem Fenster Straßenlaternen sahen.
Vorausgegangen war die Überlegung, eine Hängeleuchte für Arbeits- und Esstische zu gestalten, die erlaubte, den Tisch zu bewegen. Das konnte nur eine ebenfalls bewegliche Leuchte leisten. Wie bei allen Castiglioni-Entwürfen sind die Elemente extrem schlicht: Sie bestehen aus einem 65 Kilo schweren Sockel aus Carrara-Marmor und Edelstahlbögen, die teleskopartig miteinander verbunden sind. Sie schaffen Weite und Höhe. An ihrem anderen Ende befestigt ist ein helmförmiger Schirm aus Aluminium, der oben perforiert ist und so für die Kühlung des Leuchtmittels sorgt.

1963
Paul Schäfer, Fritz Haller
USM
Als 1960 der Ingenieur Paul Schärer (1933–2011) in das Metallbauunternehmen USM eintritt, setzt er auf planvolle Veränderung. Den Firmensitz in Münsingen nahe Bern verlegt er von der Innenstadt aufs freie Feld. Der Solothurner Architekt Fritz Haller (*1924) wird zum wichtigen Entwicklungspartner. Er entwirft nicht nur die modular konstruierten Werkhallen und den Büropavillon, sondern ein architektonisches Stahlbausystem in drei Größen, mit dem USM vom Wohnhaus bis zur Industriehalle unterschiedliche Bauaufgaben realisieren kann.
Viel wichtiger wird bald ein Produkt, das zu Beginn lediglich zur Ausstattung des eigenen Büropavillons dienen sollte. Als passende Möbel entwickeln Haller und Schärer ab 1963 das Baukastensystem „USM Haller“ aus verchromten Knoten und Stahlrohren, sowie lackierten Metalltablaren. Als Standard-Möbel zur hochwertigen Einrichtung von Banken, Kanzleien und Arztpraxen setzte es sich ab Ende der 1960er-Jahre durch. Es begründete den weltweiten Erfolg des Schweizer Unternehmens, und wurde bald auch zu einem begehrten Wohnmöbel.

1963
Richard Sapper, Marco Zanuso
Algol
Mobiles Radiohören wurde mit der Verbreitung des Transistors selbstverständlich. Der Fernseher aber blieb zunächst sperrig und unbeweglich. Erst neue, kompaktere Bildröhren ermöglichten die Miniaturisierung. Die Designer Marco Zanuso (1916–2001) und Richard Sapper (*1932) gestalteten zu Beginn der 1960er-Jahre für die Mailänder Firma Brionvega mehrere Fernsehapparate, „Algol“ (1963) ist der bekannteste. „Wir gaben dem Fernsehgerät einen Griff“, sagt Richard Sapper, A&W-Designer des Jahres 2005, „damit man es in den Schrank stellen kann.“ So sollte es den Wohnraum weniger dominieren.
In dieser Hinsicht war „Algol“ ein kompletter Flop. Denn das Gerät kam ungeheuer gut an, da es farbig und beweglich war, es entsprach den neuen Lebensformen. So kann man „Algol“ auf dem Boden liegend nutzen, da sich die (für heutige Verhältnisse winzige) Schwarz-Weiß- Bildröhre dem Betrachter entgegenstreckt. Ein Batteriepack machte „Algol“ Picknick-tauglich. „Algol“ wurde technisch aktualisiert wieder aufgelegt, an die gestalterische Qualität des Originals reichen diese Re-Editionen jedoch nicht heran.

1964
Friedrich-Wilhelm Moeller
Conseta
Aus der Film- und Autoindustrie kennt man Sequel-Produkte, die geradezu nach einer Fortsetzung, einem Nachfolger oder einem Re-Design schreien. Das Polstermöbelprogramm „Conseta“, das Friedrich-Wilhelm Möller (1931–1996) für den westfälischen Polstermöbelhersteller Cor entwarf, folgt einer anderen Logik. Dass es trotz wirtschaftlichen und sozialen Wandels seit 1964 mit geringen Modifikationen produziert wird, hängt mit seiner strukturellen Offenheit zusammen. „Meine Vorliebe gilt dem additiven Element“, sagte Möller und: „Am Detail erkennt man den Entwerfer.“ Nach seiner Tischlerlehre und dem Studium der Innenarchitektur war er Handelsvertreter bei Cor. Dort lernte er die Bedürfnisse von Möbelkäufern kennen, gründete 1963 ein Architekturbüro und widmete sich dem Entwurf von Möbeln.
„Conseta“ ist ein Baukasten für Polstermöbel, der die Auswahl unterschiedlicher Konfigurationen, Sitzbreiten, Kufen oder Beine, Leder oder Textilbezug ermöglicht. Ein Longseller, dessen lateinischer Name auf das „zusammen Sitzen“ verweist. Cor bietet „Conseta“ derzeit mit dem Kvadrat-Bezugstoff „Hallingdal“ an, den die dänische Designerin Nanna Ditzel (1923–2005) beinahe zeitgleich mit dem Sofa 1965 entwarf.

1965
Joe Colombo
Spider
„Wollen wir eine Arbeitsfläche beleuchten, brauchen wir ein Gerät, das genau diesen Zweck erfüllt und keinen dekorativen Blickfang“, sagte Joe (eigentlich Cesare) Colombo (1930– 1971). Dem Visionär mit durchaus praktischer Orientierung, der ehemals Autohändler war und Architektur studierte, ist mit dem Entwurf der Schreibtisch-Leuchte „Spider“ 1965 eine Symbiose zwischen technischer Minimallösung und optimaler Funktion gelungen.
Das fand auch die Jury des renommierten italienischen Designpreises „Compasso d’Oro“, die den Designer 1967 mit dem ersten Preis auszeichnete. „Spider“, hergestellt von der italienischen Firma Oluce, besteht aus einem Reflektor aus emailliertem Pressblech und einer besonderen Glühbirne, die keinen Schirm benötigt. Der Reflektor dient lediglich dem Schutz der Glühbirne und des Benutzers vor Verbrennung. Ein Gelenk ermöglicht das Kippen und Verstellen der Leuchte, dass nur die Fläche ausgeleuchtet wird, die gebraucht wird.

1966
Helmut Bätzner
Bofinger-Stuhl
Dem Architekten Helmut Bätzner (1928–2010) gelang, was viele vor ihm versuchten und was später selbstverständlich wurde: Er entwickelte den ersten Stuhl, der aus einem einzigen Stück Kunststoff besteht. Die Firma Bofinger in Stuttgart, geleitet von Rudolf Baresel-Bofinger, gehörte damals zu den innovativen Herstellern. Der Kunststoffstuhl „BA 1171“ oder kurz „Bofinger-Stuhl“ wurde von einer riesigen Presse in nur einem Arbeitsgang produziert. Als Material wurde durchgefärbtes, glasfaserverstärktes Polyesterharz benutzt. Fünf Minuten dauerte es, bis ein Stuhl fertig war.
Als „Gute Form zum überallhin Mitnehmen und zum überall hinstellen“ wurde er beworben. Ursprünglich entstand er für das von Bätzner geplante Badische Staatstheater in Karlsruhe, doch nach seiner Premiere auf der Kölner Möbelmesse 1966 erfreute sich der „BA 1171“ bald großer Verbreitung in öffentlichen und privaten Räumen. Insgesamt wurden bis 1984 rund 128 000 Exemplare des Möbels hergestellt. Auf Flohmärkten und bei Ebay sind noch heute Exemplare zu finden.

1966
Pierre Paulin
Ribbon
Ein neuer Lebensstil, ein neues Wohn- und Lebensgefühl spricht aus den Möbeln, die Pierre Paulin (1927–2009) in den 1960er-Jahren für den niederländischen Hersteller Artifort entwarf. „Mushroom“, „Tulip“ und „Tongue“ heißen einige der skulptural geformten Polstermöbel, mit denen Paulin neue Möglichkeiten des Zusammenspiels von Polsterschaum und textilem Bezug erprobte. Paulin schuf Möbel auch für spezifische Innenräume, vom Pariser Louvre bis zu den Privaträumen des französischen Staatspräsidenten im Élysée-Palast. Wie ein dreidimensional verformtes Band wirkt der „Ribbon“-Chair von 1966, der Vorbild für einige Nachahmer wurde. Seine fließenden Formen basieren auf einem Metallrahmen mit horizontalen Federn. Doch wie hält man den Schaumstoff für Sitz und Lehne, die schwungvoll ineinanderübergehen am besten in Form?
Der Textildesigner Jack Lenor Larsen machte Paulin mit einem neuartigen Stretch-Stoff auf Nylon-Basis bekannt, der „Ribbon“ eine faltenfreie Erscheinung verlieh. Heute empfiehlt Artifort einen speziellen Kvadrat-Stoff, um denselben Zweck zu erreichen.

1967
Rolf Heide
Stapelliege
Würde ein junger Designer heute ein solch einfaches Möbel entwerfen, müsste man ihn wohl mit dem Hinweis auf ein bekanntes schwedisches Möbelhaus zur Raison rufen. Wie um alles in der Welt soll man so etwas zu einem vernünftigen Preis auf den Markt bringen? Rolf Heide (*1932), gelernter Tischler und studierter Innenarchitekt musste sich 1967 diese Sorgen nicht machen. Seine „Stapelliege“, zerlegbar zu einem flachen Paket, entstand für eine Möbelserie der Zeitschrift „Brigitte“, die damals neue Ideen vom Wohnen populär machte. Die Liege besteht aus Schichtholz, dessen durchdachter Zuschnitt dafür sorgt, dass die Matratze nicht verrutscht. Ihre Rundungen ermöglichen sicheres Stapeln.
Heide, der später für Hersteller wie Interlübke gleichfalls einfache, aber vom Material und der Verarbeitung her, weit anspruchsvollere Produkte entwarf, schuf hier einen praktischen wie plausiblen Alltagsgegenstand, von Müller Möbelwerkstätten produziert und ergänzt um farbige Varianten und nützliches Zubehör von der Ablage bis zum Bettkasten.

1967
Gionatan de Pas, Donato D´Urbino, Paolo Lomazzi
Blow
Keine Frage: „Blow“ war nie sonderlich bequem, die PVCHülle klebte selbst bei Zimmertemperatur an der Haut fest und schon ein Stück glühende Zigarettenasche konnte sein Leben aushauchen. Aber den Designern Gionatan De Pas (1932–1991), Donato d’Urbino (*1935) und Paolo Lomazzi (*1936) ging es auch um etwas anderes, als sie das Aufblasmöbel 1967 für Zanotta entwarfen:
Die jungen italienischen Designer, die sich während des Studiums in Mailand kennengelernt hatten, wollten die Neudefinition von Komfort im Sinne des Radical- oder Anti-Designs. „1968 war die Zeit der großen kulturellen Revolution“, sagte Paolo Lomazzi in den Achtzigern, „eine Zeit der Erneuerung gegenüber konservativem Bürgertum. Wir wollten etwas Neues vorschlagen. Blow bläst man auf und trägt ihn hin, wo man will.“ Der Hersteller Zanotta hat „Blow“ in den 80ern wieder aufgelegt.

1968
Eero Aarnio
Bubble Chair
1966 hatte Eero Aarnio (*1932) den „Ball Chair“ aus Fiberglas auf der Kölner Möbelmesse präsentiert, bemängelte an ihm aber das dunkle Innenleben. Um in der Sitzschale eine bessere Lichtsituation zu schaffen, ließ er eine Kugel aus Acrylglas blasen, setzte einen verchromten Stahlring auf die Öffnung, legte ein Kissen hinein – fertig war der „Bubble Chair“ (1968). Er wurde mit einer Kette an der Decke befestigt, weil Aarnio keine Möglichkeit sah, einen transparenten Fuß auf ästhetische Weise anzubringen. Der Charakter der schwebenden Seifenblase wird durch die Aufhängung noch unterstrichen.
Wenige Sessel wurden so oft für Fotoshootings genutzt wie der „Bubble Chair“: von Daryl Hannah über Donatella Versace bis zu Nina Hagen ließen sich schon Prominente in der Acrylkugel ablichten, drei Mal wurde er auf einem Playboy-Cover verewigt. Er ist aber nicht nur fotogen, sondern hat auch eine besondere Akustik. Fast alle Geräusche der Umgebung werden im Inneren der Kugel ausgeblendet, wodurch sich der von Adelta produzierte Sessel sehr gut eignet, um Ruhezonen zu schaffen.

1968
Piero Gatti, Cesare Paolini, Franco Teodoro
Sacco
1968 beschäftigten sich eine Reihe junger Gestalter mit dem Entwurf unkonventioneller Sitzmöbel. Ihre Kreationen waren eine Auflehnung gegen die Diktatur der bürgerlichen Steifheit, eine Rebellion gegen das gerade Sitzen. Der „Sacco“ ist ein solches Möbel. Der Anspruch des Designertrios Piero Gatti (*1940), Cesare Paolini (*1937) und Franco Teodoro (*1939) war es, Möbel zu schaffen, die so flexibel wie möglich waren. „Wir fingen an, über das Material nachzudenken, das über diese Anpassungsfähigkeit verfügt.
Wie der Schnee, in den sich jemand fallen lässt und einen Abdruck hinterlässt“, erzählte Piero Gatti. Ihren Prototypen versahen die Italiener noch mit einem transparenten Bezug und einem Griff, um die Idee des Nomadentums zu betonen. Die Füllung aus aufgeschäumten Polystyrolkügelchen lässt sich variieren. 1969 ging der „Sacco“ bei Zanotta in Produktion, ohne Griff und mit einem Bezug aus Leder, und war schnell ein Erfolg.

1968
Claus Bonderup, Torsten Thorup
Semi Lamp
Torsten Thorup (*1944) und Claus Bonderup (*1943), zwei Architekturstudenten aus Kopenhagen, entwarfen 1968 eine Leuchte, auf simplen geometrischen Figuren basierend. Zwischen zwei Viertelkreisen, die mit dem Rücken aneinanderstehen, ergibt sich eine elegante geometrische Form, die die beiden Designer in eine dreidimensionale Deckenleuchte übertragen. „Semi“ beginnt so schmal wie ein Stromkabel und öffnet sich zu einem großen Rund aus lackiertem Metall. Mit ihren vielen bunten Lackfarben passte sie in die poppigen Interieurs der Siebziger. Und war außerdem die ideale Leuchte für den Einsatz der damals schwer angesagten verspiegelten Glühbirnen.
Bonderup & Thorup gewannen 1969 mit „Semi“ den ersten Preis in einem Wettbewerb der Königlich Dänischen Kunstakademie, begannen als Architekten bei Henning Larsen zu arbeiten und machten noch viele gemeinsame Projekte. „Semi“ ist heute ein Klassiker und wird in vielen Größen und Farben vom Hersteller Gubi produziert.

1968
Giancarlo Piretti
Plia
Er ist zusammengeklappt keine fünf Zentimeter tief und wiegt weniger als fünf Kilo – der Stuhl „Plia“ von Giancarlo Piretti (*1940). Eigentlich für den Außenbereich oder als Provisorium entworfen, trat der Klappstuhl kurz nach seiner Präsentation auf der Möbelmesse Mailand 1968 seinen Siegeszug durch die italienischen Wohnungen und Büros an, wo er bis heute anzutreffen ist. Er war modern, aber nicht modisch. Durch die Verwendung des transparenten Kunststoffs und des verchromten Stahlrohrs lehnte sich der Stuhl an die Glas- und Stahl-Architektur jener Zeit an. Die Verwendung dieses Materials und sein einfaches Herstellungsverfahren garantierten zudem einen moderaten Verkaufspreis.
Das Scharniergelenk aus einer spritzgegossenen Leichtmetalllegierung entsprach einer sehr eleganten Lösung. Isa Tutino Vercelloni, ehemalige Chefredakteurin der Casa Vogue, bescheinigte dem Möbel Kultcharakter: „Es ist ein Stück, das dazu bestimmt ist, das Abbild einer Epoche zu sein.“ So bekannt der Stuhl ist, so unbekannt blieb sein Gestalter, der Chefdesigner bei der Firma Anonima Castelli wurde, die auch „Plia“ herstellte. Heute wird er von Haworth produziert.

1969
Anna Castelli-Ferrieri
Componibili
Mitte der 70er-Jahre baute das US-amerikanische Kaufhaus Bloomingdale’s als Kulisse für seine Restaurants die gesamte New Yorker Skyline nach – mit dem Kunststoff-Containersystem „Componibili“ von Anna Castelli-Ferrieri (1920–2006). Besser hätte man die Eigenschaften des Möbels gar nicht demonstrieren können. Die Mailänder Architektin, die als eine der ersten Frauen ihren Abschluss am Mailänder Polytecnico erwarb und auch als Architektin Krankenhäuser, Kirchen und Industriegebäude plante, entwarf dieses raffinierte Baukastensystem aus Kunststoff 1969.
Die stapelbaren Containermöbel in runder und quadratischer Form sind mit platzsparenden Schiebetüren ausgestattet. Seit 1969 werden sie von Kartell hergestellt, einer Firma, die 1949 von ihrem Mann, dem Chemiker Giulio Castelli, gegründet worden war.

1969
Gaetano Pesce
UP
Die ersten Versionen „Up 5 und 6“ konnte man einfach unter den Arm nehmen und nach Hause tragen. Denn die zwischen 1970 und 1973 von Cassina & Busnelli (C&B) produzierten Sitzmöbel waren in der Vakuumkammer auf handliche zehn Prozent ihres Volumens reduziert und luftdicht eingeschweißt worden. Nach Abnahme der Verpackung blähte sich der formgeschäumte Monoblock zu seiner vollen Größe auf. Der damalige elastische Nylon-Jersey machte die Umwandlung problemlos mit.
Seit 2000 stellt B&B Italia eine Neuauflage des Möbels her, allerdings schon in seiner endgültigen Form – das zum Aufblähen verwendete Gas wurde verboten. In der ungewöhnlichen Gestalt des Möbels, die an Fruchtbarkeitsstauen aus frühen Kulturen erinnert, dokumentierte Gaetano Pesce (*1939), A&W-Designer des Jahres 2006, das Frauenbild eines sesshaften Wesens, Gefangene ihrer selbst und mit einer Fußfessel ausgestattet. Manche interpretieren es auch als sitzende Frau mit Baby, das durch die (Nabel)schnur mit der Mutter verbunden ist.

1970
Superstudio
Quaderna
„Die Karomuster bilden eine Welt platonischer Schönheit, reiner Vernunft, weicher Leichtigkeit, erlesener Eleganz, glänzender Helligkeit, erinnerungsreicher Bilder, kräftiger Strukturen: gleichzeitig Natur und Geschichte“, so beschrieb Adolfo Natalini, Mitglied des Superstudio, den Tischentwurf „Quaderna“.
Die 1966 in Florenz gegründete Architektengruppe Superstudio um Cristiano Toraldo di Francia, Alessandro und Roberto Magris, Piero Frassinelli und dem bereits genannten Adolfo Natalini machte in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre bis in die frühen 70er-Jahre hinein mit ihren visionären und utopischen Architektur-, Design- und Filmprojekten Furore. Das Gittermuster der Tische, ein Kunststofflaminat, das von Zanotta hergestellt wurde, hatte den Effekt, dass sich mehrere Tische hinter - einander optisch ins Unendliche strecken würden.

1972
Richard Sapper
Tizio
1972 stellte Richard Sapper (*1932) dem vorherrschenden Pop-Art-Design einen radikal technischen Leuchtenentwurf gegenüber. „Tizio“ war ein Arbeitslicht, das auf die neue Halogentechnologie abgestimmt war – der Strom fließt nicht über Kabel, sondern direkt durch die dünnen Metallarme. Sapper, A&W-Designer des Jahres 2005, entwarf „Tizio“ ganz nach seinen persönlichen Bedürfnissen. „Ich wollte eine flexible Leuchte, die trotz ihrer Bewegungsfreiheit nur wenig Raum einnimmt“, sagt der Designer. Das System aus Aluminiumgewichten, das die Metallarme im Gleichgewicht hält, reagiert schon auf Berührung mit dem Zeigefinger.
1972 war die „Tizio“ ihrer Zeit voraus, es dauerte etwa zehn Jahre bis die Leuchte ein Bestseller des Herstellers Artemide wurde. Heute ist sie eine Ikone und wird vor allem von Männern als Schreibtischleuchte gekauft, was der britische Design-Autor Deyan Sudjic in „The Language of Things“ nicht zuletzt damit erklärt, dass sie die Farben der James-Bond-Pistole Walther PKK übernimmt. Der rote Lichtschalter am Fuß der „Tizio“ entspricht dem Punkt auf der Sicherungssperre der Pistole.

1972
Guido Drocco, Franco Mello
Cactus
„Der „grüne Cactus“ ist eines der Highlights in der Designsammlung des Museums für Angewandte Kunst Köln (MAKK). Er ist in der Gestaltung, Farbigkeit und Materialität absolut charakteristisch für das Interiordesign der 1970er-Jahre. Eigentlich ein Garderobenständer, bleibt der „Cactus“ doch vielmehr ein skulpturales Objekt. Seine Funktion ist sogar eher fraglich, was als gewolltes Statement des Radical Designs zu verstehen ist, eine von Italien ausgehende Protestbewegung, die sich gegen Funktionalität im Design richtete.
Der „Cactus“ ist eine Ikone der Pop-Art-Ära und gleichzeitig doch auch sehr aktuell, weil er als Grenzgänger zwischen Kunst und Design viele zeitgenössische Tendenzen im Design vorweg - nimmt. Sein Entwurf stammt von dem Architekten Guido Drocco (*1942) und dem Designer Franco Mello (*1945). Sie experimentierten bei der Herstellung des lebensgroßen Objektes mit dem damals neuen Material Polyurethan. So entstand eine Form aus aufgeschäumtem Kunststoff, der mit abwaschbarem, grünem Guflac-Lack beschichtet wird. Das macht den „Cactus“ unglaublich leicht und trotzdem widerstandsfähig.
Der Klassiker, den es zu Beginn nur in Grün gab, wird seit 1986 von der Firma Gufram reediert – noch in der originalen Gussform, aber in mittlerweile verschiedenen Farben.“
Petra Hesse,
Direktorin des Museums für Angwandte Kunst, Köln

1972
Frank Gehry
Wiggle
Ende der Sechzigerjahre war von Nachhaltigkeit noch keine Rede, und doch experimentierte Frank Gehry (*1929) als junger Architekt in Kalifornien mit recycelbaren Materialien wie Karton. Er klebte ihn schichtweise aufeinander, schnitt mit Handsäge und Messer exaltierte Formen aus – und bastelte schließlich 1972 den ersten „Wiggle Chair“. Die elegante Pappwelle war sowohl eine Hommage an Gerrit Rietvelds „Zig Zag Chair“ von 1934 als auch ein Experiment mit billigem Werkstoff und einfachen Technologien, wie es die Vertreter des italienischen Anti-Design um Enzo Mari propagierten.
Der „Wiggle Chair“ gehörte zu der 17-teiligen „Easy Edges“-Kollektion, die in den USA auf den Markt kam und sich sofort gut verkaufte, zumal die Stücke sehr preiswert waren. Gehry zog „Easy Edges“ trotzdem schon drei Monate später wieder aus dem Verkehr. Er hatte Sorge, als Möbel - designer wahrgenommen zu werden und seiner Architekturkarriere damit zu schaden. 1982 wurde „Easy Edges“ von Chiru ediert, heute produziert Vitra den „Wiggle Chair“.

1973
Michel Ducaroy
Togo
Michel Ducaroy (1925–2009), der nach seinem Kunst - studium bei Ligne Roset zunächst in der Materialforschung, später dann als Chefdesigner arbeitete, gelang 1973 sein größter Wurf: das Sofasystem „Togo“. Seit 38 Jahren hat der französische Hersteller das Vollschaum-Polstermöbel, das ganz ohne Holz- oder Metallkorpus auskommt, nicht mehr aus dem Programm genommen.
Bodennahes Sitzen und die knautschige Optik passten perfekt zum Hippie-Style der Siebzigerjahre, bewährten sich aber auch in späteren Jahrzehnten, denn „Togo“ besitzt eine Qualität, auf die viele Designersofas verzichten: Es ist extrem gemütlich. Das Sofasystem aus 2-Sitzer, 3-Sitzer, Eckteil, Sessel und Hocker ermöglicht zahlreiche Kombinationen der einzelnen Module, die Farbwelt von „Togo“ wurde über die Jahre den Moden angepasst. 2006 wurde die Kollektion von Ligne Roset um ein Relax-Sofa (Zweisitzer mit Armlehnen) erweitert.

1973
Vico Magistretti
Maralunga
1973 hatte Vico Magistretti (1920–2006) mit „Maralunga“ ein Sofa schaffen wollen, dessen Armstützen sich nach außen klappen ließen. Doch als er die Handwerker in der Werkstatt von Cassina beobachtete, gefiel ihm diese Lösung nicht. Ganz spontan wies der Mailänder Architekt, für den nach eigener Aussage Design etwas sei, „das ich mit links mache“, die Handwerker an, die Lehnen nach innen zu klappen. Und so wurden die Rückenlehnen dann auch gestaltet. Damit gelang Magistretti der Entwurf des ersten Sofas mit flexiblen Rücken- und Armlehnen, das bis heute ein Bestseller bei Cassina ist.
Zudem entsprach es formal der für die Jahre typischen Reduktion, Sachlichkeit und Eleganz. Natürlich wurde das Möbel in der Folge oft kopiert, was den Designer aber nicht weiter störte, im Gegenteil: In jeder Kopie sah er ein Kompliment und den Beweis, dass der Entwurf einfach gut ist.

1976
Alessandro Mendini
Proust
Ursprünglich hatten Alessandro Mendini (*1931) und Francesco Binfaré vor, einen „Proust-Stoff“ für Cassina zu entwerfen. Sie beschäftigten sich mit den Werken des französischen Literaten, besuchten die Orte, an denen er gelebt hatte, um darüber zu einer Form- und Oberflächen - gestaltung zu gelangen. Mendini entschied sich 1976 für den Entwurf eines Sessels. „Ich habe einen alten Fauteuil aus dem 18. Jahrhundert gekauft, ein Werk des Pointillisten Paul Signac gesehen und beides miteinander kombiniert“, erzählt er. Er überzog nicht nur Sitzfläche und Rückenlehne mit diesem Muster, sondern auch Rahmen und Füße. D
ie Silhouette sollte sich in einer Art diffusen Wolke auflösen. Ursprünglich war der Sessel als Einzelstück konzipiert, für Mendini war er sogar „eine rein intellektuelle Idee“. Die hat dann aber das italienische Unternehmen Cappellini in kleiner Stückzahl umgesetzt. Seit 2011 gibt es die „Poltrona di Proust“ einfarbig als Serienprodukt in Kunststoff bei der Firma Magis.

1977
Vico Magistretti
Atollo
Geradezu kühn scheint die Halbkugel auf der Spitze des Kegels zu balancieren. Die Leuchte „Atollo“ von Vico Magistretti (1920–2006) wirkt wie eine Skulptur des Minimalisten Donald Judd. Der Mailänder Architekt und Designer hat sie 1977 für Oluce aus den drei euklidischen Formen – Zylinder, Kegel und Halbkugel – zusammengesetzt. Doch ist die Leuchte, die zur Überraschung ihres Gestalters bereits 1979 in dem Kalender des MoMA als Neuerwerbung erschien und im selben Jahr mit dem Design-Oskar „Compasso d’Oro“ ausgezeichnet wurde, vor allem auch ein Lichtexperiment. Denn die Halbkugel ist so konzipiert, dass sie nichts vom inneren Licht nach außen abgibt.
Beleuchtet wird einzig der Kegel, während der darunterliegende Zylinder vom Licht nur gestreift wird. Die italienische Designkritikerin Giuliana Gramigna definiert den Entwurf so: „Atollo ist eine Geometrie, die zerlegt, geteilt und geschnitten wird, bis man die definitive Form erhält – auf fast mathematischer Grundlage.“

1980
Toshiyuki Kita
Wink
Der japanische Designer Toshiyuki Kita (*1942) wurde sowohl von der westlichen als auch von der japanischen Kultur geprägt – und der Sessel „Wink“, den er 1980 für Cassina entwarf, sollte sowohl den bodennahen japanischen Sitzgewohnheiten entgegenkommen als auch dem lässigen westlichen Lifestyle entsprechen. Die Sitzflächen sind sehr bequem, der Fuß ist ausklappbar, wodurch sich der Sessel in einen niedrigen Lounge Chair verwandeln lässt.
Die lustigen Bärenohren als Kopfstütze und die poppigen Bezüge brachten „Wink“ den Spitznamen „Mickey Mouse“ ein, hatten aber über die Niedlichkeit hinaus funktionalen Nutzen. Die Kopfstützen sind verstellbar und schaffen damit größeren Komfort; die Bezugstoffe sind mit Reißverschlüssen über das Möbel gezogen und lassen sich so unkompliziert abnehmen und reinigen. 1981 wurde „Wink“ in die Designkollektion des Museum of Modern Art aufgenommen.

1982
Michele de Lucchi
First
„Einfach nur Da-sein? Nur sitzen, essen, schlafen und Leben verkraften? Das war keine reizvolle Vorstellung für die jungen Design-Möbelisierer der 80er-Jahre. Sitzengelassen von den Träumen ihrer Lego-Kindheit, bedroht von den unverrückbaren Wohn-Denkmälern einer behäbig gewordenen Wohlstandsgesellschaft begannen die „neuen wilden“ Entwerfer in den Achtzigern unbekümmert zu „vermöbeln“, was die Funktionalitäts-Dogmen des „Weniger ist mehr“ gelehrt hatten. Italienische Avantgarde-Gestalter, die sich schon in den frühen 70er-Jahren in eigenen Produktionsgemeinschaften und Vertriebsorganisationen zusammengeschlossen hatten, ermutigten den Design-Nachwuchs nördlich der Alpen zu größter Experimentierfreude.
Schon die Titel der Design-Ausstellungen, die ich damals mit Kollegen im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe veranstaltet habe, verrieten, was die Szenen umtrieb: „Möbel perdu“ (1982) und „Design Dasein“ (1987). Es war die Zeit, in der die Form einmal nicht mehr der Funktion, sondern dem „fun“ folgen sollte, eine große Befreiung, in der sich das „Design“ auf ganz neue Weise dem „Dasein“ empfahl. Es griff kurzerhand nach den Sternen. Plötzlich saß man, wie in einem Comic, in einer Umlaufbahn von Atomen oder Planeten und verstand, wie befreiend Experimente sein können. Noch heute wird er von Memphis produziert.“

1982
Wolfgang Laubersheimer
Gespanntes Regal
1982 stellt der junge Nils Holger Moormann sein erstes Möbelstück aus. Es war das „Gespannte Regal“ von Wolfgang Laubersheimer (*1955). Moormann erinnert sich, dass der Prototyp noch von Laubersheimers Vater zusammengeschweißt worden ist. Das ungewöhnliche Möbel, das der Gestalter noch während seines Bildhauer-Studiums im Auftrag eines Jeansladens entworfen hatte, und dessen acht Regalböden den acht Hosengrößen entsprachen, ist eines der wenigen Möbel des sogenannten Neuen Deutschen Designs, das die 80er-Jahre überlebt hat.
Der Seilzug war eher eine Verlegenheitslösung, die Laubersheimer für seine Ausstellung im Rahmen der Examensarbeit fertigte, was sich als glücklicher Umstand herausstellte: Sie gab dem Regal nicht nur die nötige Stabilität, sondern sorgte auch für seine unverwechselbare Form. Das Landgericht Frankfurt billigte dem immer noch von Moormann produzierten Regal sogar die Bezeichnung „Werk der Angewandten Kunst“ zu.

1983
Peter Maly
Zyklus
Als Peter Maly (*1936) einen Messestand von Cor 1983 mit einem Sesselchen aus der Puppenstube seiner Tochter Laura dekorierte, war der Firmenchef Helmut Lübke nachhaltig beeindruckt. Einige Monate später beauftragte er den Hamburger Designer und gelernten Schreiner mit dem Entwurf eines „transparenten Möbels.“ Maly nahm sich den Puppenhaus- Sessel zum Vorbild, befreite ihn von allem Überflüssigen und reduzierte ihn auf eine Grundform, die dem Möbel dann auch seinen Namen gab: „Zyklus“.
Der Kreis spielt eine erhebliche Rolle, nicht nur als Form der Kopfstütze oder der hinteren Rollen, auch der Schwung der Armlehnen ist ein Kreiszitat, ebenso die Sitzfläche und Rückenlehne. Soviel Geometrie schmeichelt nicht nur dem Auge, sie wird auch dem Körper gerecht – heute so gut wie vor 28 Jahren.

1985
Philippe Starck
Costes
Als Philippe Starck (*1949) Anfang der Achtzigerjahre das Café Costes in Paris gestaltete, war das die Geburtsstunde zweier Legenden. Der junge Starck, A&W-Designer des Jahres 1999, sollte zu einem der erfolgreichsten Designer der nächsten Dekaden aufsteigen und von der Zahnbürste bis zum Luxushotel, vom Motorrad bis zum Fertighaus eine enorme Bandbreite an Produkten und Räumen gestalten.
Das Café Costes war die Keimzelle eines Gastronomie-Imperiums, das die Klientel mit avantgardistischen Hotels, Bars, Cafés und Musik-Compilations erfreut. Das Café Costes selbst wurde 1994 geschlossen, aber der eigens für das Café entworfene „Costes Chair“ ist seit 1985 beim italienischen Hersteller Driade in Produktion. Der Dreibeiner (konzipiert, um den Kellnern das Umrunden der Stühle zu erleichtern) ist zum Klassiker geworden. Er verbindet die Eleganz der 80er mit Anlehnungen an das Art déco.

1986
Marc Newson
Lockheed Lounge
Ihre Form ist fließend wie flüssiges Silber, ihre Oberfläche aus genieteten Aluminiumplatten erinnert an alte Flugzeuge und ihre Karriere ist sensationell: „Lockheed Lounge“ war eines der ersten Designobjekte des Australiers Marc Newson (*1953). Der hatte 1984 gerade ein Studium als Schmuckdesigner und Bildhauer hinter sich, und begann, mit Möbeldesign zu experimentieren. Monatelang bearbeitete er Aluminiumplatten mit Holzhammer und Nieten, bis die ersten drei Prototypen fertig waren.
Er zeigte „Lockheed Lounge“ auf einer Ausstellung in einer Galerie in Sydney, die Nationalgalerie von Südaustralien kaufte das Stück (für 3 000 £) und es wurde in verschiedenen Designmagazinen vorgestellt. Da entdeckte es der japanische Unternehmer Tetuo Kurosaki und bot an, Newsons Design in seiner Firma Idée zu produzieren. Die Karriere des Designers nahm Tempo auf, die seiner Liege auch: 1993 hatte „Lockheed Lounge“ einen Auftritt in Madonnas Musikvideo „Rain“, 2006 erzielte einer der Prototypen bei Sotheby’s eine knappe Million Dollar – das erste Designstück, das diese Grenze überschritt.

1986
Gaetano Pesce
I Feltri
Ob „Superohrensessel“, „Mantel zum Sitzen“, „Höhle“ oder „Thron“ – die Bezeichnungen für Gaetano Pesces (*1939) Sessel „I Feltri“ sind so vielfältig, wie die Emotionen, die er hervorruft. Ein nicht unerheblicher Teil ist dabei sicher dem Material zuzuschreiben: eine Filzmatte, die im unteren Bereich durch eine Imprägnierung mit Epoxydharz stabil wird. Die Rückenlehne ist so flexibel, dass sie sich im Handumdrehen schützend um den Besitzer legen lässt oder, nach außen gekehrt, wie ein überdimensionaler Kragen wirkt.
Pesce, A&W-Designer des Jahres 2006, erklärte einst: „Fortschritt in der Kunst hat immer etwas mit Entwicklungen von Materialien und Techniken zu tun. Ich bin der Meinung, dass die alten Materialien nicht ausreichen, um die Komplexität unserer Zeit auszudrücken.“ Der Entwurf, von Cassina produziert, wandte sich in seiner Archaik Mitte der 80er-Jahre auch gegen die Möbel mit ihren aseptischen Oberflächen.

1986
Shiro Kuramata
How High the Moon
Der japanische Architekt und Gestalter Shiro Kuramata (1934–1991) hat das Design seiner fernöstlichen Heimat international bekannt gemacht. Eine seiner Spezialitäten war das Experimentieren mit Materialien, die man bis dahin nie im Möbelbau eingesetzt hatte, wie Plexiglas und Streckmetall. Es ging dem gelernten Kunsttischler, der für seinen Landsmann Issey Miyake die Showrooms in Tokyo, New York und Paris einrichtete, um den poetischen Gehalt der unterschiedlichen Werkstoffe.
Der Sessel „How High the Moon“, 1986 für Vitra entworfen und benannt nach einem Jazzstück von Duke Ellington, sieht aus wie fahles Mondlicht und wirkt durch seine Gitterstruktur beinahe schwerelos.

1986
Jorge Pensi
Toledo
Eigentlich ist der Stuhl „Toledo“ für die Terrassen spanischer Straßencafés entworfen worden, hat aber längst durch seine Leichtigkeit und Stapelbarkeit die Konferenzräume globaler Konzerne erobert. Der aus Argentinien stammende Designer Jorge Pensi (*1949) entwarf den Stuhl 1986 für die katalanische Firma Amat. Es wird vermutet, dass sich der Name „Toledo“ auf die der Sage nach uneinnehmbare mittelalterliche Festung gleichen Namens bezieht. Bestätigt wurde es nie. Die mit Schlitzen versehenen Sitzfläche und Rückenlehne sind ein besonderes Merkmal, bei dem Jorge Pensi sich von den Rüstungen japanischer Samuraikrieger inspirieren ließ.
Das grafische Ornament erfüllt zwei Funktionen: Es dient der Belüftung und sorgt dafür, dass Regenwasser schnell abläuft. Der Stuhl ist aus verschiedenen, aufwendig gearbeiteten Aluminiumelementen zusammengesetzt, was mehr der Ergonomie und Ästhetik geschuldet ist, als dem Wunsch, ein preiswertes Produkt zu schaffen.

1986
Jasper Morrison
Thinking Man´s Chair
Jasper Morrison (*1959) hatte Anfängerglück. Er wurde bei seiner Abschlussausstellung am Royal College of Art, London, von Zeef Aram entdeckt, dem zu der Zeit interessantesten Designgaleristen und -unternehmer Londons. Der lud den jungen Briten ein, einen Stuhl zu entwerfen für eine Ausstellung in seinem Londoner Geschäft. So kam es, das der „Thinking Man’s Chair“ (1986) des damals 27-Jährigen in einer Ausstellung zwischen Exponaten von namhaften Designern wie Norman Foster und Edouardo Paolozzi zu sehen war.
Er war die moderne Version eines klassischen Deck Chairs: Der Rahmen statt aus Holz aus Stahlrohr, das in einem eleganten Schwung mit zwei kleinen Tabletts endete, auf denen man Getränke abstellen kann. Dazwischen flache Stahlbänder als Sitzfläche und Rückenlehne gespannt. Dieser Stuhl, der im Vergleich zu Morrisons späteren Arbeiten ornamental wirkt, wurde in der Ausstellung vom Designproduzenten Giulio Cappellini entdeckt, der ihn gleich nach Mailand einlud. Der Beginn einer Zusammenarbeit, die bis heute andauert.

1987
Ginbande
Tabula Rasa
Italien hatte in den Achtzigern das „Memphis Design“, in Deutschland hieß die Gegenbewegung zum Funktionalismus „Neues Deutsches Design“. Zu dessen Vertretern zählten Achim Heine (*1955) und Uwe Fischer (*1958), die bis 1995 unter dem Namen „Ginbande“ experimentelles Design entwickelten.
Ihre Entwürfe sahen nur auf den ersten Blick aus wie funktionale Gebrauchsgegenstände. Bei näherer Betrachtung zeigte sich, dass es ihnen eben gerade nicht um Benutzbarkeit im Design ging, sondern um Irritation. Ihre Faltmöbel weigerten sich, Stauraumprobleme zu lösen. Ihr Arbeitstisch reagierte auf jede Berührung. Und die Biertisch-Sitzbank-Kombination „Tabula Rasa“ erweckte zwar den Anschein, ein flexibler Essplatz für zwei bis 18 Personen zu sein, aber die Idee einer ausziehbaren Tischbank war nicht wirklich praxistauglich: Wer eigentlich einen Zweier-Tischplatz nutzt, hat selten Raum für einen fünf Meter langen Ausziehtisch. „Tabula Rasa“ wurde zunächst bei Vitra, später modifiziert bei Anthologie Quartett aufgelegt.

1987
Michele de Lucchi
Tolomedo
1987 entwarf Michele de Lucchi (*1951) mit Giancarlo Fassina (*1935) die Schreibtischleuchte, die neben Richard Sappers „Tizio“ die erfolgreichste im Artemide-Portfolio werden sollte. „Tolomeo“ ist dynamisch, beweglich und wendig, und strahlt mit einem rundum drehbaren Reflektor genau dort ihr warmes, direktes Licht hin, wo es Schreibtischarbeiter haben wollen.
Der Federmechanismus ist in der Struktur der Metallarme versteckt, wird aber von einem sichtbaren, zierlichen Draht gespannt, wie eine unter Zug stehende Angelrute. Für die gelungene Verbindung von Form und Funktion gewann „Tolomeo“ 1989 einen Compasso d’Oro, und hat sich seither vom Schreibtisch aus in der ganzen Wohnung ausgebreitet. „Tolomeo“ gibt es inzwischen nicht mehr nur mit Standfuß oder Tischklemme, sondern auch als Wand, Steh- oder Pendelleuchte, Klemmstrahler, in Größen von Micro bis Mega und mit verschiedenen Leuchtmitteln.

1988
Ron Arad
Big Easy
Ron Arad (*1951) in Tel Aviv geboren, kam 1973 nach London und begann, wie einige andere Designer auch, neben dem Studium der Architektur mit industriellen Materialien wie Stahlblech zu experimentieren. Dabei entlockte Arad, A&W-Designer des Jahres 2004, dem kalten Metall überraschend weiche Eigenschaften. Es begann mit dem „Well Tempered Chair“, den Arad 1986 in einem Vitra-Workshop entwickelte.
Dünne Edelstahlplatten wurden zu Armlehnen, Sitzfläche und Rückenlehne gebogen, dass sie die Form eines Clubsessels annahmen – und dabei stabil und flexibel waren. Fortgesetzt wurde das Experiment 1988 mit „Big Easy“, der starren, aber massentauglicheren Variante des Clubsessels in Stahl. Die italienische Firma Moroso produziert den Sessel mit Polyurethanschaum gepolstert für die „Spring Collection“ und eine Outdoor-Variante des „Big Easy“ aus Polyethylen.

1988
Otl Aicher
Werkbank
In Küchenkreisen wird oft Margarete Schütte-Lihotzky, die Erfinderin der Frankfurter Küche, als Befreierin der Hausfrau gefeiert, denn sie entwarf ein praktisches, perfekt durchorganisiertes Umfeld, in dem auf wenigen Quadratmetern ein Maximum an Utensilien und Geräten untergebracht werden konnte. Der wahre Befreier der Hausfrau aber war Otl Aicher (1922–1991) der die Ulmer Schule mitbegründet und als Gestalter das Erscheinungsbild von Marken wie Lufthansa oder Braun geprägt hatte.
Die Küchenwerkbank, die Otl Aicher 1988 für den Küchenhersteller Bulthaup entwarf, wurde als erste wichtige Innovation seit der Frankfurter Küche gefeiert, denn sie erlaubte, das Zubereiten von Speisen endlich nicht mehr mit dem Gesicht zur Wand auszuführen. Die Zubereitungsinsel machte das Kochen wieder zu einem Mittelpunkt des familiären Lebens. Sie veränderte die Arbeitsprozesse in der Küche, machte Bulthaup zu einer der begehrtesten Küchenmarken – und war der erste Schritt zur Wiedervereinigung von Wohnraum und Küche.

1989
Axel Kufus
FNP
Das System war denkbar schlicht: Seite hält Schiene. Schiene hält Boden. Boden hält Schiene. Schiene hält Seite. Keine Schrauben, kein Leim. So baute der Berliner Schreiner und Designer Axel Kufus (*1958) MDF-Platten mit geschlitzten Wangen, in denen Aluminiumschienen hielten, zu filigranen und doch stabilen Bücherwänden auf. Wollte man sie als Raumteiler aufstellen, wurden sie mit einem Kreuz aus Drahtseil stabilisiert. „FNP“ ist schlicht, funktional und durfte im Haushalt eines designaffinen Intellektuellen in den 90er-Jahren ebenso wenig fehlen wie der Saab in der Garage.
„FNP“ ist der einfachste und erfolgreichste Entwurf des Designers, der sich zuvor als Vertreter des „Neuen Deutschen Designs“ mit Unikaten wie dem „Blauen Sessel“ (1984) einen Namen gemacht hatte, für den er die Bürste einer Autowaschanlage zum Polster umfunktionierte. Dem bayrischen Designvermittler Nils Holger Moormann half „FNP“, sich von einem Ein-Mann-Unternehmen zu einer angesehenen Firma für Autorendesign zu entwickeln. Das Regalsystem ist bis heute einer der Bestseller der Firma.

1991
Tejo Remy
Chest of Drawers
Auf das Übermaß der Achtziger folgte Anfang der 90er die Konsumkritik. Auf der Mailänder Möbelmesse 1993 fand die erste Ausstellung des holländischen Designkollektivs „Droog“ statt, das mit ironischen und konzeptionellen Entwürfen überraschte. Mit dabei: Tejo Remy (*1960) und sein 1991 entworfenes Möbel „Chest of Drawers“. Als Protest gegen Exzesse des Konsums sammelte er alte Schubladen, baute ihnen neue Gehäuse aus Ahorn und schnürte sie mit einem Spanngurt zusammen.
Die Anordnung der Schubladen, die vom Designer nummeriert und signiert werden, kann der Käufer nach Belieben verändern. „Chest of Drawers“ wurde ein Bestseller bei Droog. Die Produktnummer 100 wurde 2007 in Zusammenarbeit mit dem Designer Ted Noten gestaltet. Dafür wurden Schubladen aus Acrylglas gefertigt, in denen Dinge eingearbeitet waren, die sonst in Schubladen versteckt werden: Revolver, Diamanten, Drogen.

1991
Tom Dixon
S-Chair
Zwei Klassiker standen Pate, als Tom Dixon (*1959) einen Freischwinger entwarf, der aus einem geschwungenen Metallgerüst bestand, um das Korbgeflecht gewickelt wurde: Gerrit Rietvelds Zig-Zag-Chair von 1932/33 und Verner Pantons berühmter Panton Chair von 1960. Doch während Rietveld die Reduktion suchte und Panton das Experiment mit dem neuen Material Kunststoff, ging es Tom Dixon, A&W-Designer des Jahres 2008, vor allem um die Sinnlichkeit der Form.
Der junge Designer, der in London Ende der Achtziger damit beschäftigt war, als Performancekünstler durch Clubs zu ziehen und Einzelstücke aus Recyclingmaterial und Metall zusammenzuschweißen, entwarf mit dem S-Chair sein erstes Serienmöbel. Cappellini legte den Stuhl 1991 auf und stellt ihn seither mit verschiedenen Bezügen her. Das schlüssigste Material aber bleibt das Korbgeflecht, weil es dem exzentrischen Freischwinger anthropomorphe Formen verleiht, die an Rückgrat und Rippen erinnern.

1992
Sieger Design
Tara
Mitte der 1970er-Jahre wandte sich Architekt Dieter Sieger (*1938) dem Innenausbau von Segel- und Motoryachten zu. Bei der Ausstattung der Bäder an Bord lernte er, wie sich Luxus auf begrenztem Raum realisieren lässt. In Kooperation mit Firmen wie dem Armaturenhersteller Dornbracht entwickelte Sieger neue Produkte und wandelte sich zum Designer. Mit Firmenchef Andreas Dornbracht beschritt er neue Wege. Wie können funktionale Produkte aussehen, ohne in die Uniformität abzugleiten?
Sieger reduzierte seine expressiv-postmoderne Formensprache der 1980er-Jahre und entwickelte 1992 die minimalistische „Tara“. Ihre archetypische Form mit Kreuzgriffarmatur und schlichten Rohrausläufen erinnert an traditionelle Wasserhähne. Zugleich steht „Tara“ für eine Erneuerung der Architektur des Bades und eine Abkehr von der banalen Nasszelle. Inzwischen besteht die „Tara“-Kollektion aus zahlreichen Modellvarianten.

1993
Rody Graumans
85 Lamps
Eines der ersten Produkte der niederländischen Gruppe Droog, das in Serie produziert und verkauft werden konnte, war 1993 die Leuchte „85 Lamps“. Rody Graumans (*1968) hatte sie als Teil seiner Abschlussarbeit an der Utrecht Art Academy gefertigt: Eine simple Konstruktion aus 85 identischen 7-Watt-Glühbirnen, 85 gleich langen schwarzen Kabeln und sehr vielen Lüsterklemmen, die sich zu einer Kugel am oberen Ende formierten.
Typisch „Droog“ ist nicht nur der trockene Humor, mit dem ein sehr einfacher Alltagsgegenstand aus dem Baumarkt so oft wiederholt wird, bis daraus ein opulentes Design wird. Es ist auch das Zusammentreffen von Reduktion („weniger ist mehr“) und Übermaß („mehr ist mehr“), das zu einem emotionalen Objekt führt.
„85 Lamps“ wurde 1993 in die Sammlung des MoMA in New York aufgenommen und half dem von Designer Gijs Bakker und der Kunsthistorikerin Renny Ramakers gegründeten Label „Droog“, den Ruf des zeitgenössischen niederländischen Designs zu begründen.

1993
Produktentwicklung Roericht
Stitz
Das Ulmer Designbüro Produktentwicklung Roericht forschte bereits Anfang der 1970er-Jahre für die Firma Wilkhahn nach einer Alternative zum Bürostuhl und zur sitzenden Tätigkeit im Büro – und nicht nur dort. Immer öfter, stellten die Designer bereits damals fest, wird im Sitzen gearbeitet. Zugleich erfordern moderne Büroabläufe nicht nur flexibleres Sitzen, sondern auch eine Bewegung des Geistes. Das bedeutet: aufstehen, herumgehen, kommunizieren.
Was fehlte, war ein entsprechendes Möbel. Nick Roericht (*1932), der unter anderem auch das Stapelgeschirr TC 100 entwarf und zum Designteam für die Olympischen Spiele 1972 in München gehörte, hat seine Lehr- und Forschungstätigkeit im Internet ausführlich dokumentiert. Dort kann man heute die Studien nachlesen, die zum „Stitz“ führten. Ein mit Quarzsand gefüllter Fuß trägt eine bewegliche Stütze, die unters Gesäß geklemmt den Körper abstützt. Die Konstruktion wurde zunächst als „Ulmer Pullmer“ von Ingo Maurer vertrieben. Erst 1993 brachte Wilkhahn den bis heute hergestellten, leicht modifizierten „Stitz 2“ auf den Markt.

1994
Antonio Citterio
T-Chair
1994 brachte der Mailänder Architekt und Designer Antonio Citterio (*1950) frischen Wind in die Angestelltenwelt. Sein Bürodrehstuhl „T-Chair“ war auf die veränderten Bedürfnisse des Computerarbeitsplatzes zugeschnitten: Nicht nur Sitztiefe und Rückenlehnenhöhe waren individuell einstellbar, sondern auch die Armlehnen, die sich in Höhe, Breite und Winkel einstellen ließen. Noch dazu konnte man sie wahlweise in Schwarz oder in Grasgrün ordern, zu Rückenlehnen, denen man schwarz-weiß gestreifte oder einfarbige Bezüge wie ein T-Shirt überstreifen konnte.
Der T-Chair ist ein typisches Citterio-Produkt: sehr italienisch, geradlinig, zeitlos, ergonomisch. Und noch ein bisschen mehr. Denn es verschaffte den überarbeiteten Angestellten der gerade aufkeimenden New Economy etwas mehr Individualismus am Arbeitsplatz. Für Vitra entwarf Citterio seither noch zahlreiche Büro- und Sitzmöbel sowie eine Logistikhalle. Unter anderem dafür wurde Antonio Citterio zum A&W-Designer des Jahres 2002 gewählt.

1996
Marcel Wanders
Knotted Chair
„1996, als ich Kuratorin des Niederländischen Textilmuseums in Tilburg war, kaufte ich den „Knotted Chair“ für unsere Sammlung. Später, als ich als Kuratorin im Stedelijk Museum in Amsterdam anfing, habe ich mich gefreut, ihn auch hier in der Sammlung zu entdecken. Dass er mich in meiner Museumskarriere „verfolgt“ hat, ist verständlich, denn er ist weltberühmt. Was den „Knotted Chair“ so besonders macht: Marcel Wanders (*1963) kombinierte hier Hightech-Material – mit Epoxydharz getränkte Aramidfaser – mit der traditionellen Handwerksmethode des Knüpfens. Seine Knüpftechnik ist die gleiche, die auch Antoni Gaudí für seine Architekturmodelle einsetzte.
Die Form ergibt sich durch die Schwerkraft, wenn das Modell aufgehängt wird. Diese Verbindung von Gegensätzen finden wir im niederländischen Design oft. Auch als Objekt ist der „Knotted Chair“ voller Kontrapunkte. Trotz seiner robusten Struktur wirkt er luftig – und ist federleicht. Mit gerade mal 1,4 Kilogramm Gewicht kann man ihn am kleinen Finger hochheben. Die Arbeit mit traditionellen Handwerkstechniken und ein konzeptueller Ansatz im Designprozess sind in den Niederlanden seit Mitte der Neunziger ein großes Thema. So ist der „Knotted Chair“, produziert von Cappellini, eine Art Wahrzeichen geworden.“
Ingeborg de Roode,
Designkuratorin des Stedelijk Museums, Amsterdam

1997
Ingo Maurer
Zettel´z
Ob Lieblingsgedichte, Lebensweisheiten oder das pure, weiße Papier: Ingo Maurers (*1932) Entwurf der Leuchte „Zettel’z“ ermöglicht es dem Benutzer, mit dem Lichtobjekt in Interaktion zu treten. Es selbst gestalten, immer wieder neu, oder es so zu belassen, wie man es erworben hat. Dabei ist die Idee des „Lichtpoeten“, wie Maurer als A&W-Designer des Jahres 1998 bezeichnet wurde, so einfach wie genial: Um den zentralen Leuchtkörper sind strahlenförmig Metallstäbe angeordnet, an denen weiße Blätter aus edlem Japanpapier mit Büroklammern geheftet sind.
Erst im Licht der Leuchte lüften die Zettel, so sie denn gestaltet sind, ihr Geheimnis oder inszenieren ein aufregendes Licht- und Schattenspiel. Mittlerweile gibt es die Leuchte des Designers, der sich trotz seines internationalen Erfolgs und vielfacher Ehrungen immer noch bescheiden als „Autodidakt“ bezeichnet, auch in verschiedenen limitierten Sondereditionen.

1999
Konstantin Grcic
Mayday
Seine Leuchte „Mayday“ für Flos entwarf der mittlerweile bekannteste deutsche Designer Konstantin Grcic (*1965) bereits 1999. Zwei Jahre später wurde eben die mit dem begehrten „Compasso d’Oro“ ausgezeichnet und gehört seitdem auch in die Sammlung des New Yorker MoMA. Grcic hat sie „als Werkzeug“ entworfen. Jedes Teil an diesem Produkt hat mindestens eine Funktion. An dem großen Haken lässt sich die Leuchte überall aufhängen, das fünf Meter lange Kabel macht sie relativ unabhängig von der Platzierung der Steckdose, der Griff bietet zudem die Möglichkeit, das Kabel aufzuwickeln, und man kann den robusten Kunststoffschirm auf den Boden stellen.
Konstantin Grcic, A&W-Designer des Jahres 2007, nutzt zwei dieser Universalgenies bei sich zu Hause. Eine steht am Bett („für die Nachtlektüre“) und eine an der Wohnungstür – „für alle Fälle“.

2000
Tokujin Yoshioka
Honeypop
Ein großes Vergnügen bereitet dem japanischen Designer Tokujin Yoshioka (*1967) immer wieder zu beobachten, mit welcher Skepsis die Leute sich seinem Sessel „Honeypop“ nähern und mit welcher Erleichterung sie feststellen, dass dieser abenteuerliche Sitz sie tatsächlich trägt – dank 120 Einzelteilen aus Papier, die akkurat zusammengeklebt werden. Der Sessel lässt sich wie eine Kinderlaterne auseinanderziehen und nimmt die Form desjenigen an, der sich als erster auf ihn setzt.
Die Struktur aus Papier, das wie Bienenwaben miteinander verbunden ist, ermöglicht diesem an sich fragilen Material hohe Stabilität. Die Beweggründe für seinen Entwurf erläutert Tokujin Yoshioka, A&W-Designer des Jahres 2011, so: „Ich mag Dinge, die von einer Aura umgeben sind; etwas, das das Herz erwärmt, etwas, das die Seele erhellt und etwas, das eine emotionale Erfahrung bedeutet.“ Sammler geben dafür 15 000 Euro und mehr aus.

2000
Maarten van Severen
LCP
Der belgische Designer Maarten van Severen (1956–2005) entwarf 2000 die Chaiselongue „LCP“ als elegantes, trans - parentes Möbel mit einer sich um sich selbst drehenden Schleifenform. „LCP“ (die Abkürzung steht für „Low Chair Plastic“) erinnert an Willy Guhls Gartenstuhl von 1954, der die Möglichkeiten des Materials Eternit im Möbeldesign auslotete. Doch während der Guhl-Sessel ein extrem einfaches Herstellungsverfahren hatte – die Breite des Möbels entsprach genau der Breite, in der das Material aus der Maschine gepresst wird und wurde einfach zu einer Schlaufe zusammengefügt – basiert „LCP“ auf einer komplexen Technologie, mit der sie aus einem einzigen Stück Methacrylat gegossen und anschließend mit vier Schrauben gehalten wird.
Zentrale Herausforderung der „LCP“-Liege war es, Komfort, Biegsamkeit und Elastizität des Materials mit ausreichender Stabilität zu vereinbaren. Der italienische Kunststoffspezialist Kartell stellt die Chaiselongue seit 2001 her, inzwischen in vier transparenten Farbtönen.

2000
Fransesco Binfaré
Flap
Die Nullerjahre waren das Jahrzehnt des Fläzens. Sitzen im 90°-Winkel war etwas für Senioren, das Trend-Sofa wurde immer niedriger, breiter und tiefer und begünstigte eine halb liegende Sitzposition. Ein anderer großer Trend des Jahrzehnts waren Swarovski-Kristalle, die den unterschiedlichsten Dingen von Jeans bis zu Möbeln zu Glanz verhalfen. Die Verbindung von beidem gelang dem italienischen Designer Francesco Binfaré (*1939) mit seinem Entwurf „Flap Diamond“ im Jahr 2007.
Das Original, die Liegelandschaft „Flap“, hatte der ehemalige Entwicklungs-Direktor von Cassina für Edra im Jahr 2000 entworfen. Neun Seitenelemente lassen sich als Rückenlehnen oder Fußstützen hochklappen und in sechs verschiedenen Neigungswinkeln arretieren. Ein Sitzmöbel, das wie geschaffen war für die offenen Wohn- und Arbeitsräume in Lofts und besonders oft in Agenturen und Hotellobbys zum Einsatz als Sitzbank und Eyecatcher kam.

2003
Konstantin Grcic
One
Eugenio Perazza, Gründer der italienischen Firma Magis wollte Konstantin Grcic (*1965), A&W-Designer des Jahres 2007, für ein gemeinsames Projekt gewinnen. Doch der hat ihn mehrfach abblitzen lassen, da Magis Kunststoffmöbel produzierte. Und die Welt lediglich um einen weiteren Kunststoffstuhl zu bereichern, das war für Grcic keine Herausforderung. Erst als Perazza sein Interesse an neuen Materialien und Produktionsweisen bekundete, biss der Designer an. Als eine „Mischung aus Naivität und Direktheit“ sieht Grcic im Rückblick die eigene Herangehensweise. Er schuf eine große Struktur aus Aluminium-Druckguss.
Der schalenartige Sitz ist aus einzelnen Segmenten konstruiert wie ein Fußball. Dieses Element sollte gleich für eine ganze Familie von Sitzmöbeln geeignet sein, vom vierbeinigen Gartenstuhl bis zum Wartebereich im Flughafen. Das Projekt wurde zu einer strapaziösen, aber bereichernden Forschungsreise. Anders als viele andere Möbel der Gegenwart hinterlässt „Chair One“ einen bleibenden Eindruck. Wer ihn einmal gesehen hat, kann ihn nicht wieder vergessen.

2003
Patricia Urquiola
Clip
„Ein Bett zu gestalten ist eine relativ undankbare Aufgabe für einen Designer“, sagte Patricia Urquiola (*1961), A&W-Designer des Jahres 2012, einmal im A&W-Interview, „denn das wichtigste ist die Matratze, an der man nichts gestalten kann. Was der Gestalter hinzugeben kann, ist nur die Marmelade auf dem Toast.“ Gelungen ist ihr die Zugabe beim Modell „Clip“. Inspiriert von einer Büroklammer, läuft das mit Stoff oder Leder bezogene Bettgestell von der Matratzenumrandung über Fuß- und Bodenteil zum geknickten Kopfteil, das sich praktischerweise auch noch in fünf verschiedene Positionen knicken lässt.
Feinheit im Detail: Die Aufhängung der Matratze ist höhenverstellbar, sodass hohe Matratzen tiefer eingelassen werden können. Beim italienischen Hersteller Molteni gehört das Modell „Clip“ in verschiedensten Varianten seit Jahren zu den Bestsellern, zusätzlich gibt es einen kleinen runden Beistelltisch, dessen Aluminiumplatte in den gleichen Farben angeboten wird wie das Bettgestell.

2004
Bruno Rainaldi
Ptolomeo
Manch einer schichtet seine Bücher, statt sie in Reih und Glied ins Regal zu stellen. Allerdings kann ein Turm schwanken oder umkippen, je mehr er an Höhe gewinnt. Noch ärgerlicher ist es, wenn man ausgerechnet das zweite Buch von unten aus einem meterhohen Stapel herausnehmen möchte.
Der italienische Designer Bruno Rainaldi (1963- 2011) löst das Problem mit der Regalskulptur „Ptolomeo“, produziert von Opinion Ciatti. Seine 2004 entworfene, 215 cm hohe Büchersäule stapelt Druckwerke vom Boden bis unter die Decke. An einer Blechstütze kann man seine Bücher in einzelne Kammern einsortieren. Frontal sieht man nur die gestapelten Werke ohne Träger und Gerüst. Die Bücher bilden eine senkrechte Bibliothek – ohne Einsturzgefahr. Für den Hochstapler erhielt Rainaldi den „Compasso d’Oro“, den wichtigsten italienischen Designpreis.

2006
Ronan und Erwin Bouroullec
Alcove
Mit dem „Alcove“-Sofa für Vitra ist den Brüdern Ronan (*1971) und Erwan Bouroullec (*1976) ein großer Wurf gelungen. Mit ihm wollten die Franzosen ein Möbel schaffen, das sich dem Menschen anpasst und nicht umgekehrt. Die hohen Seiten- und Rückenlehnen schirmen die Besitzer von der Umgebung ab, geben ihnen Geborgenheit und Ruhe auch im turbulenten, öffentlichen Raum. Gleichzeitig öffnet sich das Sofa für Begegnung und Kommunikation, stellt man zwei zusammen, ergibt es sogar einen kleinen Konferenzraum.
Der Name „Alcove“ stammt aus dem arabischen, dort bezeichnet „al-qubba“ eine Nische im Raum, die dem Rückzug und der Entspannung dient. In Europa gab es besonders in Bauernhäusern Bettnischen in meist holzvertäfelten Wänden, die man „Alkoven“ nannte. Das Sofa der Bouroullecs gibt es in zwei Höhen, verschiedenen Breiten, auch als Einzelsessel mit passendem Fußhocker.

2006
Joris Laarman
Bone-Chair
Paola Antonelli, Chefkuratorin im New Yorker MoMA bezeichnet ihn als Schlüsselfigur der momentanen Designströmung. Li Edelkoort, Chefin der renommierten Design Academy Eindhoven hält sein Werk für „überwältigend“ und fügt hinzu: „Er verändert unseren Blick auf Funktionalität.“
Die Lobeshymnen über den jungen Niederländer Joris Laarman (*1979) reißen nicht ab, seit er noch während seines Studiums einen Heizkörper entwarf, der nicht nur durch seine Form als barockes Ornament Experten in Verzückung versetzte, sondern auch, oder gerade weil, dieser Heizkörper Wärme effektiver abgab, als der klassisch geometrische. Mit seinem „Bone Chair“ aus dem Jahr 2006, der in der Tradition Carlo Mollinos zu stehen scheint, verhält es sich ähnlich. Der von einer skelettähnlichen Konstruktion gestützte Stuhl entstand im Rapid Prototyping aus gegossenem, poliertem Aluminium und gilt heute als eines der herausragendsten Werke der letzten Dekade.

2006
Front
Horse Lamp
Noch während ihres Studiums an der Stockholmer Konstfack befragten die Designerinnen von Front Menschen nach ihren liebsten Gegenständen. Dabei fanden Sofia Lagerkvist, Charlotte von der Lancken und Anna Lindgren, die alle ihr Alter nicht preis geben (sicher in den späten 70ern geboren), heraus, dass viele Menschen enge Bindungen zu figurativen Gegenständen entwickeln. Als sie sich nach dem Studium zum Designstudio zusammenschlossen und Moooi-Begründer Marcel Wanders sie um den Entwurf von Leuchten bat, „die auch seiner Großmutter gefallen würden“, kamen sie auf die Idee, Tiere als Motiv zu verwenden, und setzten einem mattschwarz lackierten Pferdekorpus einen Lampenschirm auf den Kopf.
Begleitet wurde die „Horse Lamp“ von einem Wildschwein-Beistelltisch und einer Hasen-Tischleuchte. Die Pferdeskulptur mit der Nebenfunktion als Lampe entwickelte sich zu einem der begehrtesten Sammlerstücke von Moooi. Der Ruf des schwedischen Trios als Studio für experimentelles Design an der Schnittstelle von Kunst- und Gebrauchsgegenstand war besiegelt. 2010 wurde Front A&W Designer des Jahres.

2007
Oskar Zieta
Plopp
„Wie würde ein Jean Prouvé heute mit Metall arbeiten?“, fragte sich der polnische Gestalter Oskar Zieta (*1975) während seines Architekturstudiums an der ETH Zürich, und experimentierte mit leichten Blechkonstruktionen. Eines Tages entdeckte er die „Freie Innen Druck Umformung“ (FIDU) und entwickelte „Plopp“. Die knuffige Form des Hockers ist der besonderen Technologie zu verdanken: Zwei Metallplatten werden in einer Lasercut-Anlange ausgeschnitten, zusammengeschweißt und mit Druckluft zu einem dreidimensionalen Objekt aufgeblasen.
Das bringt nur drei Kilogramm auf die Waage und kann dennoch 2,5 Tonnen Gewicht tragen. Und wer es zum ersten Mal sieht, denkt nicht, dass es aus Metall sein könnte. Das überraschende Sitzmöbel stellte Oskar Zieta 2007 in Mailand vor. Im Jahr darauf gründete Oskar Zieta in seinem polnischen Heimatort Zielona Gora eine Fabrik, in der er nun „Plopp“ und eine ganze Möbelkollektion aufbläst und vertreibt.