
Retrospektive von Gerhard Richter in Fondation Louis Vuitton zeigt die gesamte Bandbreite seines Lebenswerks
Das Werksverzeichnis von Gerhard Richter umfasst mehr als 900 Arbeiten, von Gemälden über Papierarbeiten bis hin zu Glas- und Stahlskulpturen. Nun zeigt die Fondation Louis Vuitton in Paris 270 dieser Werke, eine Auswahl, die 60 Jahre seines Schaffens umfasst und dem 93-jährigen Künstler die bisher größte Würdigung seines Lebenswerks zuteilwerden lässt. Vom 17. Oktober 2025 bis zum 2. März 2026 öffnet das Museum seine Tore für eine Retrospektive, die das gesamte Gebäude einnimmt und in 34 Sälen eine künstlerische Biografie von bislang unerreichter Dichte entfaltet. Die Ausstellung vereint Werke aus über 100 internationalen Sammlungen und reicht vom frühesten Gemälde, das Richter selbst als Beginn seiner Laufbahn bezeichnet, bis zu den Papierarbeiten, die er nach 2017 als Schlusspunkt seiner Malerei ansieht.
Gerhard Richter in Paris: Eine Bühne für ein Jahrhundertwerk
Ikonen und Chronologie: Vom ersten Gemälde bis zu den Papierarbeiten
Gerhard Richter, am 9. Februar 1932 in Dresden geboren, zählt zu den bedeutendsten lebenden Künstlern der Gegenwart. In der Fondation Louis Vuitton entfalten seine Arbeiten die ganze Bandbreite: von den frühen figurativen Bildern über die berühmten Unschärfeporträts bis zu monumentalen abstrakten Rakelbildern. Ikonen seines Schaffens wie „Ema (Akt auf einer Treppe)“, die Baader-Meinhof-Bilder oder der „Birkenau“-Zyklus spiegeln persönliche wie kollektive Erinnerungen, während die frühen fotobasierten Porträts berühmter Männer aus Literatur, Philosophie und Wissenschaft auf die internationale Karriere Richters verweisen. Auch digitale Experimente, „Strip Paintings“ und Werke mit Glas zeigen den Innovationsdrang eines Künstlers, der sich nie auf einen Stil festlegen ließ.

Die Entwicklung von Gerhard Richter wird erlebbar
Die Retrospektive folgt einem streng chronologischen Aufbau, der die Entwicklung von Richters Werk als kontinuierliche Selbstbefragung sichtbar macht. Beginnend bei schwarz-weißen Fotoübertragungen wie „Tisch“ (1962) über die Unschärfeporträts bis hin zu den farbintensiven Rasterbildern von 2007 wird die künstlerische Radikalität deutlich, die Richter stets zwischen Experiment und Bildtreue balancieren ließ. Die Arbeiten stehen in einem Dialog, der Gegensätze wie Zartheit und Brutalität, Flüchtigkeit und Beharrlichkeit nebeneinanderstellt. So entsteht ein Erfahrungsraum, der die Tiefe von Richters Werk körperlich erfahrbar macht.

Der Ausstellungsverlauf der Retrospektive zu Ehren Gerhard Richters
Besicher und Besucherinnen sollten reichlich Zeit mitbringen, um die Ausstellung zu betrachten. Die Ausstellung ist in 10 Gallerien eingeteilt.
Galerie 1: 1962–1970 — Painting from Photographs
Von Beginn an wählte Richter komplexe Motive: scheinbar banale Zeitungs- und Magazinbilder wie sein erstes Werk „Tisch“ (1962), das teilweise übermalt ist, ebenso wie Familienporträts (Onkel Rudi, Tante Marianne) und Arbeiten, die die Schatten der deutschen Geschichte reflektieren (Bombers). Bereits Mitte der 1960er-Jahre stellte Richter illusionistische Maltraditionen infrage, etwa mit der Skulptur „Four Panes of Glass“ und den ersten Farbtafeln. Mit Cityscapes experimentierte er mit pseudo-expressionistischem Impasto, während Landschafts- und Seestücke klassische Genres auf die Probe stellten.
Galerie 2: 1971–1975 — Investigating Representation
Die 48 Porträts für die Biennale Venedig 1972 markieren den Beginn einer Phase, in der Richter die Natur der Malerei neu befragte: mit seiner Unschärfetechnik, dem progressiven Kopieren und Auflösen der „Verkündigung nach Tizian“, der zufälligen Farbverteilung in großen Farbtafeln und der Ablehnung von Repräsentation und Expression in den Graubildern.
Galerie 4: 1976–1986 — Exploring Abstraction
In diesem Jahrzehnt legte Richter die Grundlagen seines abstrakten Ansatzes: Vergrößerung von Aquarellstudien, Untersuchung der Bildoberfläche und die Darstellung des Pinselstrichs selbst als Sujet. Zugleich entstanden erste Porträts seiner Tochter Betty, Landschaften und Stillleben blieben zentrale Themen.
Galerie 5: 1987–1995 — Sombre Reflections
Getrieben von Skepsis gegenüber künstlerischem und gesellschaftlichem Wandel entstand die Serie „18. Oktober 1977“ (Leihgabe aus dem MoMA), Richters einzige Arbeit, die sich explizit mit jüngerer deutscher Geschichte befasst. In dieser Zeit entstanden auch einige seiner markantesten abstrakten Werke sowie die Reihe „Sabine mit Kind“.
Galerie 7 and 9: 1996–2009 — New Perspectives in Painting: Chance
Die späten 1990er-Jahre brachten eine produktive Phase: kleine figurative und abstrakte Arbeiten, die strenge Silikat-Serie, Experimente mit Zufall, kulminierend in „4900 Colors“, sowie die meditativen Cage-Paintings als Hommage an den Komponisten John Cage.
Galerie 9 and 10: 2009–2017 — Final Paintings
Richter experimentierte zunächst mit Glasarbeiten und digital erzeugten Strip-Bildern, kehrte dann mit „Birkenau“ zurück, inspiriert von Fotografien aus einem Nazi-Vernichtungslager. Die abschließenden abstrakten Gemälde von 2017 markieren das Ende seiner Malerei; seitdem konzentriert sich Richter auf Zeichnungen, die in Gallery 11 gezeigt werden.
Skulpturen erscheinen an Schlüsselstellen der Ausstellung, und drei Räume mit Aquarellen, Zeichnungen und übermalten Fotografien bieten in den 1970er- und 1990er-Jahren Zwischenspiele und illustrieren zugleich Richters fortdauernde künstlerische Anliegen seit dem Ende seiner Malerei.

Gerhard Richter in der Fondation Louis Vuitton
Adresse: 8 Avenue du Mahatma Gandhi, 75116 Paris, Frankreich
Öffnungszeiten: täglich 10:00–20:00 Uhr, donnerstags und freitags bis 22:00 Uhr
Ausstellung Gerhard Richter: 17. Oktober 2025 – 2. März 2026